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November 10, 1989

Johann Plattner, Austrian Foreign Ministry, 'Debate on German Reunification; Information and Language Regime'

Debatte über die deutsche Wiedervereinigung; Information und Sprachregelung

 

Im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der derzeitigen Ost-West-Entwicklung begonnen Debatte über eine mögliche Neugestaltung des deutsch-deutschen Verhältnisses wird im Einvernehmen mit der Abt. II.3[1] zu do. Information und Sprachregelung folgendes mitgeteilt:

 

1) Grundsatzdokumente

Über die Teilung Deutschlands hatten sich die Siegermächte bereits bei der Konferenz von Jalta (Anfang 1945)[2] geeinigt („Westverschiebung“ Polens; Zerstückelung Deutschlands: „In der Ausübung dieser Macht werden sie (die Siegermächte) solche Maßnahmen treffen…einschließlich der völligen Entwaffnung…und Zerstückelung Deutschlands…als sie für den künftigen Frieden…für notwendig halten“).

Durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz (Sommer 1945)[3] übernahmen die Siegermächte die Regierungsgewalt in Deutschland und teilten das Land in Besatzungszonen ein. Bis auf weiteres sollte keine zentrale deutsche Regierung eingesetzt werden. Die endgültige territoriale Regelung sollte einer Friedenskonferenz vorbehalten bleiben. Im Konferenzprotokoll wird eine Formulierung von Jalta („…Ergreifung von Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr…den Weltfrieden bedrohen kann“) wieder aufgenommen.

In der Präambel zum Grundgesetz wird das gesamte deutsche Volk aufgefordert, „in einem Vereinten Europa in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“[4]

Im „Vertrag über die Beziehung zwischen BRD und den Drei Mächten“ (1952),[5] durch den das Besatzungsregime beendet und die BRD die volle Souveränität erlangte, heißt es: „Im Hinblick auf die internationale Lage, die bisher die Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluss eines Friedensvertrages verhindert hat, behalten die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübte oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung.“

Im „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (1972)[6] sprechen sich die beiden Staaten für die Entwicklung normaler gutnachbarlicher Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung aus und bekräftigen die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen. In der Präambel werden aber die unterschiedlichen Auffassungen der BRD und der DDR zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage festgestellt.

Im Brief zur deutschen Einheit (1970)[7] hat die BRD ihren Anspruch auf Wiedervereinigung bekräftigt („….auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt“).

Die Aufrechterhaltung des Wiedervereinigungsanspruches findet auch in Zusatzerklärungen der BRD zu den Römer Verträgen[8] ihren Niederschlag (Nichtanerkennung einer ostdeutschen Staatsbürgerschaft; Protokoll über den deutsch-deutschen Handel; Vorbehalt hinsichtlich einer allfälligen künftigen EG-Mitgliedschaft der DDR).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen zu den Ostverträgen (1973[9] und 1975)[10] festgestellt, dass das Deutsche Reich völkerrechtlich weiterbesteht und kein Verfassungsorgan die Wiederherstellung der staatlichen Einheit als politisches Ziel aufgeben darf.

Die Verfassung der DDR (1974)[11] enthält eine Wiedervereinigungsabsicht nicht.

 

2) Die Politik der Bonner Regierung

Ungeachtet der Aufrechterhaltung des Wiedervereinigungsanspruches geht die Regierung in Bonn von der derzeitigen Realität der Existenz zweier deutscher Staaten aus, respektiert die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen und unterhält eine „Ständige Vertretung“ in (Ost)-Berlin, die allerdings nicht dem Auswärtigen Amt, sondern dem Bundeskanzleramt untersteht und von einem Staatssekretär geleitet wird. Eine DDR-Staatsbürgerschaft wurde allerdings nie anerkannt.

Die Regierung in Bonn war in den letzten Jahren bemüht, durch eine Politik der kleinen Schritte auf eine Verbesserung des status quo im Verhältnis zur DDR hinzuwirken (Verbesserung der Menschenrechtslage, mehr Freiheit und Demokratie in der DDR, mehr Reisefreiheit bei einer „durchlässigeren“ Grenze)

Außenminister Genscher hat in seinen bisherigen Erklärungen zum deutsch-deutschen Verhältnis im Lichte der letzten Entwicklungen darauf hingewiesen, dass die BRD in der europäischen Friedensordnung auch den Rahmen für das Ziel sehe, das der Brief zur deutschen Einheit formuliert hat. Dieses Ziel könne nur unter voller Achtung der geschlossenen Verträge und nur mit allen Staaten in Europa und nicht gegen sie erreicht werden. Genscher[12] will also in Übereinstimmung mit dem im Grundgesetz zum Ausdruck gebrachten Gedanken („…in einem Vereinten Europa…“) Veränderungen im deutsch-deutschen Verhältnis in eine gesamteuropäische Entwicklung eingebettet wissen. Zu Erklärungen westdeutscher Politiker, in denen die bestehenden Grenzen zu Polen in Frage gestellt werden, haben Bundeskanzler Kohl[13] und Außenminister Genscher inzwischen klargestellt, dass die BRD keine territorialen Ansprüche gegenüber Polen geltend mache.[14]

 

3) Die Haltung der DDR

Die Regierung der DDR betont – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Staatsbürgerschaft – unverändert die Existenz und völkerrechtliche Anerkennung zweier deutscher Staaten.

Bemerkenswert erscheint, dass auch die Reformgruppen die selbstständige Existenz der DDR bisher in keiner Weise in Frage gestellt haben: der Anspruch auf Wiedervereinigung wird in Oppositionskreisen nicht erhoben.

 

4) Die Haltung der europäischen Staaten

Aus Erklärungen Gorbatschows (die derzeitige europäische Ordnung werde nicht idealisiert, aber Anerkennung der Nachkriegsrealität hätten bislang Frieden am Kontinent gesichert) und Außenminister Schewardnadses[15] (Absage an revanchistische Kräfte, die Nachkriegsrealitäten in Europa zu revidieren versuchten) ist klar zu entnehmen, dass die Moskauer Führung nach wie vor am „Status quo ante“ festhält und keine Änderung dieser Ordnung zulassen will.

In den relevanten Teilen der von Gorbatschow und Kohl am 13.6.1989 unterzeichneten gemeinsamen Erklärung[16] werden Formulierungen verwendet, die mit der Position der Sowjetunion durchaus vereinbar sind (zwar Recht auf freie Systemwahl, aber Achtung der Integrität jedes Staates; Teilnahme von Berlin (West) an der Entwicklung der Zusammenarbeit unter strikter Beachtung des Viermächte-Abkommens aus 1971).[17] Ein Umdenken Moskaus in der Berlin- oder gar Deutschlandfrage ist somit nicht eingetroffen.

Von den westeuropäischen Staaten sind in letzter Zeit nur aus Frankreich und Belgien Stellungnahmen zur deutsch-deutschen Frage bekannt geworden. Präsident Mitterrand stellte fest, dass die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ein legitimes Anliegen des deutschen Volkes sei,[18] dass diese Frage aber auch die vier Siegermächte betreffe und dass der Stabilität in Europa der Vorrang eingeräumt werden müsse. Außenminister Eyskens[19] erklärte im belgischen Senat, dass man für den Wiedervereinigungswunsch des deutschen Volkes Sympathien empfinde, dass eine Lösung dieses Problems aber in die gesamteuropäische Entwicklung eingebunden sein müsse.

Insgesamt ist festzustellen, dass die westeuropäischen Staaten die Opportunität einer deutschen Wiedervereinigung mit großer Reserve beurteilen.

Die USA stehen einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten deutlich positiver gegenüber.

Welche Lösungen für die deutsch-deutsche Frage gefunden werden (Weiterbestehen eines zweiten deutschen Staates jedoch mit demokratischen Strukturen, föderale Lösung, Widervereinigung), ist nicht abzusehen. Das Thema der Wiedervereinigung wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit die europäische Politik in den kommenden Jahren beschäftigen und beeinflussen.

Nur für den Fall, dass die Botschaft in dieser Frage angesprochen werden sollte, wolle sie sich dahingehend vernehmen lassen, dass das Recht auf Selbstbestimmung, für das Österreich uneingeschränkt eintritt, selbstverständlich auch für die Bevölkerung in der DDR zu gelten hat. Jede Veränderung im deutsch-deutschen Verhältnis sollte jedoch so erfolgen, dass der Prozess der Entspannung und der Frieden in Europa nicht gefährdet wird.

 

Wien, am 10. November 1989

Plattner m.p[20]

 

 

[1] Sektion II, Politische Sektion, Abteilung 3, Ost- und Südeuropa des österreichischen Außenministeriums.

[2] Vom 4. bis 11. Februar 1945 fand in Jalta auf der Krim das Treffen von Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Großbritannien) und Josef Stalin (UdSSR) statt.

[3] Die Potsdamer Konferenz oder Dreimächtekonferenz von Berlin fand vom 17. Juli bis zum 3. August 1945 im Schloss Cecilienhof in Potsdam statt. Beteiligt waren Vertreter der USA, Großbritanniens und der UdSSR.

[4] Der Originalwortlaut der Präambel des Grundgesetzes, dem Gründungsdokument der Bundesrepublik, aus dem Jahr 1949 lautet: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“

[5] Bei dem „Vertrag über die Beziehung zwischen der BRD und den Drei Mächten“ (1952) handelt es sich um einen am 26. Mai 1952 geschlossenen Vertrag zwischen der BRD und den West-Alliierten Frankreich, Großbritannien und den USA, der das bis dahin geltende Besatzungsstatut ablöste und die Unterzeichner zur Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluss eines Friedensvertrags für Gesamtdeutschland verpflichtete. Der Vertrag ist auch unter den Bezeichnungen „Generalvertrag“ und „Deutschlandvertrag“ bekannt; abgedruckt in: Auswärtiges Amt, unter Mitwirkung eines wissenschaftlichen Beirats (ed.), Die Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland, (Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1972), 208–212. Er trat in seiner endgültigen Fassung am 5. Mai 1955 nach dem NATO-Beitritt der BRD in Kraft. Siehe Gesetz betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. März 1955, BGBl. 1955 II, 213-214; Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet in Paris am 23. Oktober 1954, BGBl. 1955 II, 215-252 und Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Protokolls vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1955 II, 628.

[6] Der „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (1972), auch bekannt unter der Bezeichnung „Grundlagenvertrag“, wurde am 21. Dezember 1972 unterzeichnet. Siehe Vertrag über die Grundlagen der Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972 (= Dokument 53), in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (ed.), Zehn Jahre Deutschlandpolitik. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1969–1979. Bericht und Dokumentation, (Bonn: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, 1980), 205–211.

[7] Der „Brief zur deutschen Einheit“ (1970), der die Option zur Wiederherstellung der deutschen Einheit in einer europäischen Friedensordnung offen hielt, wurde im Mai von Egon Bahr ausgehandelt und anlässlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages vom 12. August 1970 dem sowjetischen Außenministerium übergeben, vgl. BGBl. 1972 II, 356.

[8] Die Römer Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) wurden am 25. März 1957 von Vertretern der Regierungen Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, der BRD, Frankreichs und Italiens unterzeichnet. Vgl. BGBl. 1957 II, 753-1224. Für das Zusatzprotokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen siehe BGBl. 1957 II, 984-986.

[9] Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31.7.1973 (= Dokument 68), in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (ed.), Zehn Jahre Deutschlandpolitik, 232–243.

[10] „Das Bundesverfassungsgericht stellte am 7. Juli 1975 fest, dass der Moskauer Vertrag wie der Warschauer Vertrag eine friedensvertragliche Regelung nicht vorwegnehme und keine Rechtsgrundlage für die bestehenden Grenzen schaffe. Mit Rücksicht auf die Gesamtverantwortung der Vier Mächte für Deutschland als Ganzes könne die Bundesregierung keine Verfügung über den territorialen Status Deutschlands treffen, die eine friedensvertragliche Regelung vorwegnehme.“ Zitiert nach: Heike Amos/Tim Geiger (Bearb.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, ed. von Horst Möller/Ilse Dorothee Pautsch/Gregor Schöllgen/Hermann Wentker/Andreas Wirsching (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 264, Anm. 6.

[11] Am 7. Oktober 1974 wurde die Verfassung der DDR geändert. Hieß es in der Fassung von 1968 im Artikel 1 noch „die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation“, so stand 1974 in der Verfassung „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“. Auch Artikel 8 wurde verändert. Der Passus „die Deutsche Demokratische Republik und ihre Bürger erstreben darüber hinaus die Überwindung der vom Imperialismus der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung Deutschlands, die schrittweise Annäherung der beiden deutschen Staaten bis zu ihrer Vereinigung auf der Grundlage der Demokratie und des Sozialismus“ wurde gestrichen. Damit verabschiedete sich die SED von der deutschen Nation und der Wiedervereinigung. Vgl. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974) online verfügbar unter: http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr.html (zuletzt abgerufen am 18.8.2015).

[12] Hans-Dietrich Genscher, (geb. 21.3.1927 Reideburg/ Sachsen-Anhalt), FDP, 1962 bis 1964 Bundesgeschäftsführer der FDP, 1968 bis 1974 stellvertretender Bundesvorsitzender und 1974 bis 1985 Bundesvorsitzender der FDP, 1965 bis 1998 Mitglied des Bundestages, 1969 bis 1974 Bundesminister des Innern 1974 bis 1992 Bundesminister des Auswärtigen und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland;

[13] Helmut Kohl, (geb. 3.4.1930 Ludwigshafen), 1973 bis 1998 Bundesvorsitzender der CDU, 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

[14] Durch den Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 war die Oder-Neiße-Grenze de facto anerkannt. Sämtliche bundesdeutsche Regierungen hatten aber seither an dem Rechtsstandpunkt festgehalten, dass erst eine frei gewählte gesamtdeutsche Regierung endgültig über die Ostgrenze entscheiden könnte. Just im Sommer 1989 war rekurrierend auf den Rechtsstandpunkt eine Diskussion über diese Frage ausgebrochen. Außenminister Genscher versicherte in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York am 27. September 1989 an seinem polnischen Amtskollegen Krzysztof Skubiszewski gewandt: „Das polnische Volk […] soll wissen, daß sein Recht, in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft durch Gebietsansprüche in Frage gestellt wird.“ Auf den üblichen Verweis auf den Rechtsvorbehalt verzichtete er. Einen Tag bevor Kohl zu seinem Besuch in Warschau aufbrach, verabschiedete der Bundestag am 8. November eine Resolution, welche die Formulierung Genschers aufgriff, diese aber mit dem „Friedensvertragsvorbehalt“ verknüpfte. Vgl. dazu Klaus Ziemer, Zwischen Misstrauen und Hoffnung: Polen und die deutsche Vereinigung, in: Klaus-Dietmar Henke (ed.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte, (München: Dt. Taschenbuch Verlag, 2009), 509–524, 510, 514; Rede anlässlich der 44. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 27. September 1989 in New York, in: Hans-Dietrich Genscher, Zukunftsverantwortung. Reden, (Berlin: Buchverlag Der Morgen, 1990, 79–93, für das wörtliche Zitat 80; Deutscher Bundestag. Stenografischer Bericht 173. Sitzung, Bonn, 8. November 1989, 13058–13060.

[15] Eduard A. Schewardnadse (1928–2014), Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU (1985–1990), Minister für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR (1985–1991).

[16] Abgedruckt in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (ed.), Texte zur Deutschlandpolitik III-7 – 1989, 148–153. Erstveröffentlicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bunderegierung vom 13. Juni 1989, 542–544.

[17] Viermächte-Abkommen (mit den Anlagen I, II, III und V) vom 3. September 1971 (= Dokument 24), in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (ed.), Zehn Jahre Deutschlandpolitik, 158–162.

[18] So auch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Helmut Kohl am 3. November 1989.

[19] Mark Eyskens, Außenminister Belgiens (1989–1992).

[20] Johann Plattner (geb. 1932), Leiter der Abteilung II/1 (West- und Nordeuropa) der Sektion II im österreichischen Außenministerium (1987–1993).

 

Debate on German Reunification; Information and Language Regime

 

Concerning a possible redesigning of the German-German relationship in connection with the current debate on the East-West development, the following information and language regime in agreement with Dep. II.3[1] are being disclosed:

 

1) Basic documents

The victorious powers had already agreed at the Yalta Conference (in early 1945)[2] about division of Germany (“westward shift” of Poland; breaking up of Germany: “In the exercise of this power, they (the victorious powers) will take such measures... including the complete disarmament ... and dismemberment of Germany ... as they see necessary … for keeping the future peace”).

With the resolutions of the Potsdam Conference (summer 1945)[3] the victors took over authority of Germany and divided the country into occupation zones. Until further notice, no central German Government was to be installed. The final territorial settlement should be reserved for a peace conference. A formulation from the Yalta conference report was included again (“... take measures which are necessary to assure that Germany can never again ... threaten world peace”).

In the preamble of the Basic Law, the entire German people is called upon to “in free self-determination, bring about the unity and freedom of Germany in a united Europe.”[4]

The “Convention on relations between the Three Powers and the FRG” (1952),[5] by which the occupation regime was ended and the FRG gained full sovereignty [sic!], states: “In view of the international situation, which until now has prevented the reunification of Germany and the conclusion of a peace treaty, the Three Powers retain their heretofore exercised or held rights and responsibilities with respect to Berlin and Germany as a whole, including the reunification of Germany and a peace settlement.”[6]

In the “Treaty on the basis of relations between the Federal Republic of Germany and the German Democratic Republic” (1972)[7] both countries argue for the development of normal good-neighborly relations on the basis of equality and reaffirm the inviolability of the existing borders. In the preamble, however, the differing views of the FRG and the GDR on fundamental questions, including the national question, are determined.

In “Letter on German Unity” (1970),[8] the FRG affirmed its claim to reunification (“... to work for a state of peace in Europe in which the German nation will regain its unity through free self-determination”).

Retention of the reunification claim is also put down in Additional Clarifications of the FRG on the Treaty of Rome[9] (non-recognition of East German citizenship; protocol on inter-German trade; reservation concerning a possible future EC membership of the GDR).

The Federal Constitutional Court asserted in its judgments on the Eastern Treaties (1973[10] and 1975)[11] that the German Reich continues to exist under international law, and the restoration of national unity may not be given up by any constitutional body as a political goal.

The Constitution of the GDR (1974)[12] does not contain any intention to reunify.

 

2) The Policy of the Bonn Government

Despite their retention of the claim to reunification, the government in Bonn operates under the current reality of the existence of two German States, respects the inviolability of existing borders and maintains a “Permanent Representation” in (East)-Berlin. This representation is, however, not under the control of the Foreign Office, but by the Federal Chancellery and is headed by a Secretary of State. A GDR citizenship has, however, never been recognized.

The government in Bonn has tried in recent years to work through a policy of small steps to improve the status quo in relations with the GDR (improving the human rights situation, more freedom and democracy in the GDR, more freedom to travel through a “permeable” border).

In his previous statements on German-German relations, Foreign Minister Genscher[13] has pointed out in light of recent developments that the FRG also sees the framework for the goal, which was formulated in the Letter on German Unity, in the European Peace Order. This goal can only be achieved in full respect of the concluded treaties and only with all countries in Europe, not against them. In accordance with the thought expressed in the Basic Law (“... in a united Europe ...”), Genscher wants changes in the German-German relationship to be embedded in a pan-European development. With regard to statements made by West German politicians, in which the existing borders of Poland are questioned, Chancellor Kohl[14] and Foreign Minister Genscher have since clarified that the FRG makes no territorial claims toward Poland.[15]

 

3) The Attitude of the GDR

The government of the GDR without change emphasizes – not least in the context of citizenship – the existence and international recognition of two German states.

It appears worth noticing that the reform groups have not in any way called the independent existence of the GDR into question so far: the right to reunification is not raised in opposition circles.

 

4) The Attitude of the European States

From Gorbachev’s statements (the current European order is not being idealized, but recognition of the post-war reality has so far secured peace on the continent) and Foreign Minister Shevardnadze’s[16] statements (rejection of revanchist forces that tried to revise postwar realities in Europe) it is clear that the Moscow leadership still holds on to the “status quo ante” and will not allow any change of this order.

In the relevant parts of the joint statement signed by Gorbachev and Kohl on 13 June 1989,[17] formulations are used which are compatible with the position of the Soviet Union (namely the right to freely choose one’s system, but respect for the integrity of each State; participation of Berlin (West) in the developing cooperation under strict observation of the Four Power Agreement of 1971).[18] A rethinking in Moscow of the Berlin question or even the Germany question has not yet come about.

Of the Western European countries only statements by France and Belgium on the German-German question have become known. President Mitterrand noted that the reunification of the two German states is a legitimate concern of the German people,[19] but that this issue also concerns the four victorious powers and that European stability must be given priority. Foreign Minister Eyskens[20] declared in the Belgian senate that there is sympathy for the German people’s desire for reunification, but that a solution to this problem must be integrated into the pan-European development.

The overall conclusion is that the Western European countries assess the opportunity of German reunification with great reserve.

The United States is much more positive towards a reunification of the two German states.

What solutions are to be found for the German-German question (the continuation of a second German state but with democratic structures, a federal solution, reunification) are not foreseeable. It is highly probable that the topic of reunification will occupy and influence European policy in the coming years.

Only in the case that the embassy is addressed in this regard, it should state that the right to self-determination, which Austria supports without restriction, must of course also apply to the population of the GDR. Any change in the German-German relationship, however, should be such that the process détente and peace in Europe is not endangered.

 

Vienna, 10 November 1989

Plattner m.p.[21]

 

[1] The head of the department for Eastern and Southern Europe of the Political Section of the Austrian Foreign Ministry, envoy Ernst Sucharipa, had demanded major changes in the wording.

[2] The meeting of Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (United Kingdom) and Joseph Stalin (USSR) was held in Yalta on the Crimea from 4 to 11 February 1945.

[3] The Potsdam Conference or Tripartite Conference of Berlin was held from 17 July to 3 August 1945 in the Cecilienhof Palace in Potsdam. It involved representatives of the United States, Britain and the USSR.

[4] The original wording of the Preamble to the Basic Law, the founding document of the Federal Republic from 1949 reads: “Conscious of their responsibility before God and man, inspired by the determination to promote world peace as an equal partner in a united Europe, the German people, in the exercise of their constituent power, have adopted this Basic Law. Germans in the Länder of Baden-Württemberg, Bavaria, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hesse, Lower Saxony, Mecklenburg-Western Pomerania, North Rhine-Westphalia, Rhineland-Palatinate, Saarland, Saxony, Saxony-Anhalt, Schleswig-Holstein and Thuringia have achieved the unity and freedom of Germany in free self-determination. This Basic Law thus applies to the entire German people.”

[5]The “Convention on relations between the Three Powers and the Federal Republic of Germany” signed on 26 May 1952 by the FRG and the Western Allies (France, the United Kingdom and the United States) replaced the previous occupation statute and obliged the signatories to the goal of unification of Germany and a peace settlement (for the whole of Germany). The treaty is also known under the names “General Agreement” and “Germany Treaty.” See printed in Auswärtiges Amt (ed.), Die Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland [= The Foreign Policy of the Federal Republic of Germany] (Cologne: Verlag Wissenschaft und Politik, 1972), 208–212. The treaty underwent several changes (for example the Protocol on the termination of the occupation regime of 23 October 1954) and went into effect in its final version after the NATO accession of the FRG on 5 May 1955. See Gesetz betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. März 1955, BGBl. 1955 II, 213-214; Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet in Paris am 23. Oktober 1954, BGBl. 1955 II, 215-252 und Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Protokolls vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1955 II, 628.

[6] The original reads “The Three Powers retain, in view of the international situation, the rights, heretofore exercised or held by them, relating to (a) the stationing of armed forces in Germany and the protection of their security, (b) Berlin, and (c) Germany as a whole, including the unification of Germany and a peace settlement.”

[7] The “Treaty on the Basis of Relations between the Federal Republic of Germany and the German Democratic Republic,” also known as the “Basic Treaty,” was signed on 21 December 1972. See Vertrag über die Grundlagen der Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972 (= Dokument 53), in Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen [= The Federal Ministry of Intra-German Relations] (ed.), Zehn Jahre Deutschlandpolitik. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1969–1979. Bericht und Dokumentation [= Ten Years of Germany Policy. The development of relations between the Federal Republic of Germany and the German Democratic Republic from 1969 to 1979. Report and documentation] (Bonn: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, 1980), 205–211.

[8]The Brief zur deutschen Einheit, “Letter on German Unity” (1970), which held open the option to restore German unity within a European Peace Order, originated at least in part from pressure by the opposition and was handed over to the Soviet Foreign Ministry at the signing of the Moscow Treaty on 12 August 1970, see BGBl. 1972 II, 356.

[9] The Treaty of Rome establishing the European Economic Community (EEC) and European Atomic Energy Community (Euratom) were signed by representatives of the governments of Belgium, the Netherlands, Luxembourg, the Federal Republic of Germany, France and Italy on 25 March 1957. See BGBl. 1957 II, 753–1224. For the additional protocol on intra-German trade and connected problems see BGBl. 1957 II, 984-986.

[10]For the judgment of the Federal Constitutional Court on the Treaty on the Basis of Relations between the FRG and the GDR, see “Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31.7.1973” (= Document 68), in Zehn Jahre Deutschlandpolitik, 232–243.

[11] The Federal Constitutional Court determined on 7 July 1975 that the Moscow Treaty just like the Warsaw Treaty did not preclude a peace settlement and provides no legal basis for the existing borders. With regard to the general responsibility of the Four Powers for Germany as a whole, the Federal Government could make no claims to the territorial status of Germany, precluding a peace settlement.

[12] On 7 October 1974, the Constitution of the GDR was changed. In the version from 1968 Article 1 still read “the German Democratic Republic is a socialist state of the German nation,” in 1974 it had changed to: “The German Democratic Republic is a socialist state of workers and farmers.” Additionally, Article 8 was shortened. The phrase “the German Democratic Republic and its citizens strive to overcome the division of Germany imposed on it by imperialism of the German nation and for the gradual convergence of the two German states until their unification on the basis of democracy and socialism” was deleted. Thus, the SED abandoned the German nation and reunification. See the Constitution of the German Democratic Republic of 6 April 1968 (in the version of 7 October 1974) http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr.html (last accessed 18 August 2015).

[13] Hans-Dietrich Genscher (1927–2016), Minister of Foreign Affairs and Vice-Chancellor of the Federal Republic of Germany (1974–1992)

[14] Helmut Kohl, (1930–2017), Chancellor of the Federal Republic of Germany (1982–1998).

[15] Through the Warsaw Treaty of 7 December 1970, the FRG recognized the Oder-Neisse line. All West German governments have since then adhered to the legal position that only a freely elected government of Germany as a whole could definitively decide on the eastern border. Right in the summer of 1989 a discussion broke out referring to the legal standpoint on this issue. Foreign Minister Genscher assured in his speech to the UN General Assembly in New York on 27 September 1989 and addressed his Polish counterpart Krzysztof Skubiszewski: “The Polish people [...] should know that its right to live within secure borders, will not be called into question by territorial claims from us Germans, neither now nor in the future.” He refrained from the usual reference to the reservation of rights. The day before Kohl left on his visit to Warsaw, the Bundestag passed a resolution on November 8, which took up Genscher’s formulation, but combined it with the “peace treaty reservation.” See Klaus Ziemer, “Zwischen Misstrauen und Hoffnung: Polen und die deutsche Vereinigung [= Between Mistrust and Hope: Poland and German Unification],” in Klaus-Dietmar Henke (ed.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte [= Revolution and Unification 1989/90. As in Germany, Reality overtook Imagination] (Munich: Dt. Taschenbuch Verlag, 2009), 509–524, 510, 514; “Rede anlässlich der 44. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 27. September 1989 in New York [= Speech at the 44th General Assembly of the United Nations on 27 September 1989 in New York],” in Hans-Dietrich Genscher, Zukunftsverantwortung. Reden [= Future Responsibility. Speeches] (Berlin: Buchverlag Der Morgen, 1990), 79–93, for the quote see 80; also see Deutscher Bundestag. Stenografischer Bericht 173. Sitzung, Bonn, 8. November 1989, 13058–13060.

[16] Eduard A. Shevardnadze (1928–2014), member of the Politburo of the CPSU Central Committee (1985–1990), Minister of Foreign Affairs of the USSR (1985–1991).

[17] For the text of the joint statement, see Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen [= Federal Ministry of Intra-German Relations] (ed.), Texte zur Deutschlandpolitik [= Texts on Germany policy] III-7–1989, 148–153. First published in Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 13. Juni 1989 [= Bulletin of the Press and Information Office of the Federal German government of 13 June 1989], 542–544.

[18] See Four Power Agreement on Berlin (with Annexes I, II, III and V) of 3 September 1971 (= Document 24), in: Zehn Jahre Deutschlandpolitik, 158–162.

[19] He expressed this view also on a joint press conference with Chancellor Helmut Kohl on 3 November 1989.

[20] Mark Eyskens, Belgian Foreign Minister (1989–1992).

[21] Johann Plattner Head of the Department for Western and Northern Europe of the Political Section of the Austrian Foreign Ministry (1987–1993).

In light of Kohl & Gorbachev's joint statement (June 13, 1989), the Head of the Department for Western and Northern Europe of the Political Section of the Austrian Foreign Ministry discusses German reunification, the Berlin Question, and Detente. The report discusses the resistant attitudes of the West, with the exception of the US, towards German reunification.

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ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1989, GZ. 22.17.01/8-II.1/89. Obtained and translated by Michael Gehler and Maximilian Graf.

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Original Uploaded Date

2017-10-11

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165713