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October 11, 1990

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with the Foreign Minister of Saudi Arabia, Prince Saud Al Faisal, on 11 October 1990, 14.00-15.00 hours

Referat 213 VLR I Dr. Ueberschaer                                                                          

Bonn, den 15. Oktober 1990

V e r m e r k

über das Gespräch des Bundeskanzlers mit dem Außenminister des Königreichs Saudi-Arabien, Prinz Saud Al Faisal, am 11.10.1990, 14.00-15.00 Uhr[1]

 

Teilnehmer auf deutscher Seite: der Bundeskanzler - MD Teltschik - VLR I Dr. Ueberschaer als note-taker - Frau Notbohm als Dolmetscherin

auf saudi-arabischer Seite: - AM Prinz Saud Al Faisal - Prinz Mohammed bin Nawaf, Direktor der Inspektions- und Überprüfungsabteilung im saudi-arabischen Außenministerium - Botschafter Hassan Al Shawaf - Dr. Khalid Al-Jandan als note-taker

 

Der Bundeskanzler (BK) versichert AM Prinz Saud Al Faisal (AM) bei der Begrüßung der besonderen Sympathie, die er für ihn seit seinem Besuch in Saudi-Arabien empfinde. Er bittet ihn, auch dem König seine Grüße zu übermitteln. Er, BK, begrüße gerade in der gegenwärtigen Situation einen politischen Meinungsaustausch mit dem AM des Landes, dem für die politische Stabilität der gesamten Nah- und Mittelost-Region eine Schlüsselrolle zukomme.

AM beglückwünscht BK zur Wiedervereinigung und zu ihrer internationalen Einbettung. BK habe sich damit historische Verdienste verschafft. Die deutsche Einheit habe eine große Ausstrahlung in die ganze Welt, sie werde auch frischen Wind in die internationalen Gremien bringen.

Sein Land, Saudi-Arabien, sehe sieh gegenwärtig einer Reihe schwieriger Probleme gegenüber, die es nur mit Unterstützung der Völkergemeinschaft lösen könne. Er hoffe in dieser Lage auch weiterhin auf deutsche Solidarität.

BK bezeichnet den Mittleren und den Nahen Osten als die gegenwärtig gefährdetste Region der Welt. Der barbarische Akt der Besetzung und Annexion Kuwaits durch den Irak sei unentschuldbar. Schon früher sei die Lage in der Region infolge des israelisch-arabischen Konflikts bedrohlich genug gewesen. Die Ereignisse der letzten Tage am Tempelberg in Jerusalem hätten auch ohne den Kuwait-Konflikt katastrophale Auswirkungen gehabt. Jetzt aber stärkten sie zusätzlich die Position Saddam Husseins in der arabischen Welt.

AM unterstreicht die Bedeutung der Rolle, die Deutschland und EG-Europa gerade in dieser Krise zukomme. Saddam Husseins Aggression wende sich nicht nur gegen die arabische Welt, sondern gegen die gesamte Völkergemeinschaft. Er dürfe nicht den Sieg davontragen, sondern müsse zurückgedrängt werden. Die Festigkeit und die Solidarität, die die Deutschen und die Völker EG-Europas hierbei bewiesen, werde in den Herzen der Araber und der gesamten Welt in Erinnerung bleiben. Die Haltung, die die Völkergemeinschaft bisher in der Kuwait-Krise an den Tag lege, sei "herzerwärmend". Dagegen sei die arabische Solidarität leider nicht vergleichbar stark, da hier die Palästinafrage mit hineinspiele. Unter den Arabern gebe es zwei Grundhaltungen: einmal die normale Haltung der Solidarität, die Länder wie Saudi-Arabien, Ägypten und Syrien gegenüber dem leidenden kuwaitischen Volk bewiesen, zum anderen die eher irrationale Haltung der Palästinenser. Sie beruhe nicht auf der Überzeugung von der Berechtigung des irakischen Vorgehens, sondern auf der 40-jährigen Frustration über die ungerechte Behandlung der Palästinafrage durch die Völkergemeinschaft. Die saudische Haltung gegenüber Saddam Hussein werde hingegen durch die jüngsten Geschehnisse in Israel eher noch verfestigt.

Auf Frage von BK berichtet AM, daß es vor der Invasion der Iraker in Kuwait keine eindeutigen Anzeichen hierfür gegeben habe. Obwohl man in Saudi-Arabien die aggressive Grundeinstellung Saddam Husseins gut kannte, habe man angenommen, daß nach achtjährigem Krieg gegen Iran und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung der Herrschaft Saddam Husseins hierin ein Wandel eingetreten sei. Daher sei der Angriff auf Kuwait für Saudi-Arabien völlig überraschend gekommen. Man sei alsbald zu der Überzeugung gelangt, daß als nächster Schritt ein Angriff gegen Saudi-Arabien zu erwarten sei.

Die Frage von BK, ob Kuwait den Irak durch entsprechendes Entgegenkommen, z.B. in der Frage des Meereszugangs, von seinem Angriff hätte abhalten können, verneint AM. Saudi-Arabien habe in diesem Sinne vermitteln wollen, als der Irak Kuwait in einem Memorandum wenige Tage vor dem tatsächlich erfolgten Überfall bereits bedroht hatte. Saudi-Arabien habe eine Lösung innerhalb der Arabischen Liga oder durch Vermittlung Ägyptens empfohlen. Es sei daraufhin auch zu einem ersten Gespräch zwischen Vertretern Kuwaits und des Iraks gekommen, wobei jedoch der Irak klargemacht habe, daß er eine Beteiligung von dritter Seite an einer Lösung nicht wünsche. Dieses Treffen, das dazu bestimmt gewesen war, ein günstiges Klima für ein weiteres Treffen in Bagdad zu schaffen, sei gescheitert. Sieben Stunden danach sei bereits der irakische Angriff gegen Kuwait angelaufen. Überfall und Besetzung Kuwaits seien also klar vorausgeplant gewesen.

In dieser Lage müsse man dem Irak mit einer starken und solidarischen Haltung begegnen. Saudi-Arabien sei gewiß nicht kriegslüstern, seine Regierung sei jedoch der festen Überzeugung, daß ein friedlicher Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait nur erzwungen werden könne, wenn diesen genügend eigene bzw. alliierte Truppen gegenüberständen. Ebenso müsse der feste Wille zu ihrem Einsatz erkennbar sei, falls der Irak keine Bereitschaft zu einer Lösung auf der Grundlage des Völkerrechts erkennen lasse.

BK erkundigt sich nach den Machtverhältnissen im Irak und danach, in welchem Umfang sich die jüngsten Entwicklungen zugunsten Saddam Husseins auswirkten.

Deutschland unterstütze die VN-Sanktionen und werde alles tun, um ihr Abbröckeln zu verhindern. In der Vergangenheit hätten sich Sanktionen allerdings leider als wenig geeignet erwiesen, um die damit verfolgten Ziele auch wirklich durchzusetzen.

Wirtschaftlicher oder militärischer Druck, den das Ausland auf eine Diktatur ausübe, spiele oft eher dem Diktator in die Hände, da er leicht zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit diesem führe. Diktaturen könnten unter solchen Umständen außerordentliche Widerstandskraft entfalten.

BK erwähnt in diesem Zusammenhang die unnötige Verlängerung des 2. Weltkriegs durch die politisch unkluge Forderung der Alliierten nach bedingungsloser Kapitulation sowie die Galbraith-Studie über die Auswirkung der Bombardierung deutscher Städte auf die Kriegsdauer.

Vor diesem Hintergrund stelle sich für ihn, BK, die Frage, ob der von den Vereinten Nationen gewählte Weg des Wirtschaftsembargos wirklich geeignet sei, Saddam Hussein in die Knie zu zwingen. Die entscheidende Frage (die er nur gegenüber AM anspreche) sei die der Leidensfähigkeit und -bereitschaft des irakischen Volkes.

AM bemerkt, daß sich intern die Diktatur Saddam Husseins eher mit der Stalins als mit der Hitlers vergleichen lasse. Saddam Hussein habe der eigenen Bevölkerung ähnlich viel Leid angetan wie Stalin. Als internationaler Kriegstreiber sei Saddam Hussein jedoch Hitler ähnlich. Hätte man diesen rechtzeitig gestoppt, wäre es nicht zu einem 2. Weltkrieg gekommen. Nach dem Überfall auf Kuwait gelte es erneut, den Anfängen zu wehren. Ein arabisches "München" dürfe es nicht geben, wenn man die Zerstörung des Irak und die Vernichtung des irakischen Volkes verhindern wolle.

Für die Völkergemeinschaft gebe es jetzt zwei Alternativen: Saddam Husseins Aggressionspolitik gewähren zu lassen, oder ihn jetzt gleich zu Beginn zu stoppen und dadurch den Schaden zu begrenzen. Die Entscheidung, ob Krieg oder Frieden, liege in beiden Fällen nicht bei der Völkergemeinschaft, sondern beim Irak. Wenn man die Dinge treiben und Saddam Hussein gewähren lasse, teilten sich die arabischen Länder notwendigerweise in eine pro-irakische und eine anti-irakische Gruppe. Die Völkergemeinschaft einschließlich Deutschlands sei dann zur Wahl gezwungen, mit welcher Gruppe sie kooperieren und welche sie sich zum Feind machen wolle.

Zur Frage von BK, ob Saddam Hussein begriffen habe, daß er einen Krieg gegen die Völkergemeinschaft nicht gewinnen könne, bemerkt AM, daß der Diktator selbst kein klares Lagebild haben könne, weil ihm von manchen arabischen Kräften ein falsches Bild vermittelt werde. Die Frage, ob es Kräfte in der arabischen Welt gäbe, die soweit gingen, Saddam Hussein in der Auffassung zu bestärken, daß er einen Krieg gewinnen könne, vermöge er heute nicht mehr eindeutig zu verneinen. Manche arabische Regierungen, wie die Jordaniens oder Tunesiens hätten ihre Grundhaltung seit dem irakischen Überfall auf Kuwait verändert.

BK wirft ein, daß der Irak allein aufgrund der militärisch-strategischen Grunddaten einen Krieg nicht gewinnen könne. AM bemerkt, daß er gerade darum die falschen Ratgeber nicht verstehen könne. Saudi-Arabien wünsche auf jeden Fall nicht einen Sieg der destruktiven Kräfte, sondern trete für die Herrschaft des Rechts ("legality") ein.

BK fragt, ob eine Lösung denkbar sei, bei der sich Saddam Hussein aus Kuwait zurückziehe, dessen legitime Regierung zurückkehre und man danach eine einvernehmliche Lösung der Grenzfrage suche.

AM bemerkt, daß eine solche Lösung - und zwar durch Vermittlung der Arabischen Liga - denkbar sei, wenn sie auch die Abschaffung der irakischen Massenvernichtungsmittel einschließe. Zunächst sei aber die Wiederherstellung der "rechtlichen Ordnung", d.h. des status quo ante erforderlich. Danach könne man an Verhandlungen herantreten. Saudi-Arabien habe sich vor dem 2. August - dem Tag des irakischen Überfalls auf Kuwait - sehr um eine Verhandlungslösung der irakisch-kuwaitischen Grenzstreitigkeiten bemüht. Die Tatsache, daß der Irak eine Gewaltlösung gewählt habe, beweise, daß es ihm nicht um die Regelung von Grenzstreitigkeiten, sondern um machtpolitische Veränderungen gehe.

Nur die Solidarität der Völkergemeinschaft und ihr Beharren auf dem Völkerrecht könnte die Lage im Mittleren Osten wieder stabilisieren. Gleiches müsse auch für den Nahen Osten, d.h. für den arabisch-israelischen Konflikt gelten. Gleichwohl akzeptiere Saudi-Arabien nicht die von Saddam Hussein gewünschte Verknüpfung. Mit dem von ihm geforderten Junktim wolle er sich vielmehr lediglich den status quo in der Kuwait-Frage erhalten und eine politische Lösung verhindern. Wenn es dagegen jetzt gelinge, für die Kuwaitkrise eine Lösung auf der Grundlage des Völkerrechts zu erreichen, dann werde eine solche auch für den Nahost- und Libanonkonflikt möglich. Damit könne man dann ein friedliches Zusammenleben der Menschen in der ganzen Region ermöglichen. Die Entwicklung der deutschen Frage sei das beste Beispiel für die Möglichkeit politischer Lösungen für unlösbar geltende Konflikte auf der Grundlage des Völkerrechts.

BK fragt nach dem Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Jordanien. AM bezeichnet dies als 'herzzerreißend'. Saudi-Arabien habe König Hussein 40 Jahre hindurch unterstützt und in ihm stets eine Stimme der Vernunft gesehen. Jetzt gebe er sich unvermittelt dazu her, die irakische Inbesitznahme von Kuwait zu beschönigen. Dies sei für Saudi-Arabien unverständlich und inakzeptabel. Sicher habe König Hussein innenpolitische Probleme mit dem palästinensischen Teil seiner Bevölkerung. Diese Probleme seien aber nicht so gewichtig, daß sie ihn zu einer so eindeutigen Parteinahme für Saddam Hussein gezwungen hätten. Er habe es in der Vergangenheit immer verstanden, eine ausgewogene Politik zu betreiben. Jetzt habe er ohne Not in ein Hornissennest hineingestochen und damit eine Entwicklung ermöglicht, unter der Jordanien am meisten leiden werde. Sich auf die Seite der Palästinenser zu schlagen, sei einfach; wesentlich schwerer werde es aber, sich von ihnen wieder abzusetzen. 

Wenn Jordanien jetzt von Irak erpreßt werde, dann nur deswegen, weil König Hussein dem Irak zu viel Einfluß eingeräumt habe. Saddam Hussein hätte angesichts der Solidarität der gemäßigten Araber und westlicher Länder wie der USA und Deutschlands nicht viel gegen Jordanien tun können. In Falle eines irakischen Angriffs hätten alle diese Staaten Jordanien beigestanden; zudem sei die jordanische Armee kampfbereit und gut.

BK bemerkt, daß auch Israel einen militärischen Einmarsch des Irak in Jordanien nicht geduldet hätte.

AM meint dazu, daß es in der Region zwei Störenfriede gebe: Irak und Israel. Beide wünschten eine neue Ordnung nach eigenen Vorstellungen zu errichten. Es sei kein Wunder, daß manche Stimmen von einer Koordination der irakischen und der israelischen Interessen sprächen. Auf Frage des Bundeskanzlers, welche Haltung Saudi-Arabien von Deutschland in der Region erwarte, äußert AM, die beste Politik gegenüber dem Irak bleibe die des wirtschaftlichen Drucks auf der Grundlage der sieben Resolutionen des VN-Sicherheitsrats und in enger Solidarität der Völkergemeinschaft. Wenn er, AM, einen Wunsch an Deutschland und an Europa richten könne, so den, Syrien und den Libanon zu unterstützen - zwei Staaten, die für eine einheitliche Haltung der arabischen Welt von besonderer Bedeutung seien,

Syrien sei ein wesentliches Bollwerk gegen jede irakische Aggression. Es habe im irakisch-iranischen Krieg den Iran sehr nachdrücklich unterstützt. Deutschland sollte daher die bisherigen Boykottmaßnahmen gegen Syrien aufheben. Von PM Thatcher habe er, AM, bereits das Versprechen, daß sie den britischen Boykott gegen Syrien aufheben werde.

Den Libanon habe Saudi-Arabien mit 100 Millionen Dollar unterstützt. Weitere Hilfe von westlicher Seite würde diesem geschundenen Land gut tun.

Weitere Länder, die unter der irakischen Aggression litten und für die Deutschland und EG-Europa etwas tun könnten, seien u.a. in Afrika Dschibouti und Somalia und in Asien Pakistan und Bangladesch.

Saudi-Arabien selbst habe alles getan, um sich gegen irakische Angriffe militärisch zu schützen. Saddam Hussein sei nicht in der Lage, mit militärischen Mitteln die Ölproduktion Saudi-Arabiens zu stoppen. Er sei auch nicht der neue Saladdin, dessen Aufruf zum heiligen Krieg die arabische Welt folgen würde. Hinter Saddam Hussein ständen in der arabischen Welt lediglich gewisse fundamentalistische Gruppen und einige wenige Politiker, wie Ben Bella. Dieser Rückhalt reiche jedoch nicht aus, um den Westen - etwa durch Terrorismus - ernsthaft zu gefährden.

Im Gegensatz zu den Behauptungen der irakischen Propaganda verfügten Saudi-Arabien und die Golfstaaten über eine Bevölkerung von insgesamt 60 Millionen Menschen. Diese Staaten stellten also nicht "Regierungen ohne Völker" dar. Im Gegensatz zum Irak, wo die Gefolgschaft Saddam Husseins nur 10-20 % der Bevölkerung ausmache, stehe in allen diesen Ländern das Volk hinter seinen Regierungen.

BK fragt nach dem Rückhalt der irakischen Führung im Volk. Aus Libyen beispielsweise gebe es ja immer wieder Hinweise auf ein Abbröckeln der Gefolgschaft Gaddafis. AM meint, daß dies in noch stärkerem Maße für den Irak und für Saddam Hussein gelten müsse. Ein Anzeichen hierfür seien die laufenden Massenhinrichtungen gegen wirkliche oder vermutliche Regime-gegner. Für ein Todesurteil genüge im Irak der bloße Verdacht einer gegen das Regime gerichteten Haltung. Kennzeichnend für die Verhältnisse im Irak sei eine Begebenheit, die König Fand vom früheren jordanischen Ministerpräsidenten erfahren habe. Dieser habe den irakischen Verteidigungsminister auf eine führende irakische Persönlichkeit angesprochen, die er einen Monat zuvor zum letzten Mal gesehen hatte. Die Antwort lautete, daß man diesen Mann als Verräter hingerichtet habe. Dabei habe man auch seine Familie und seine Freunde getötet. Dies sei eine empfehlenswerte Methode, weil so niemand eine Veranlassung sehen könne, weitere Fragen zu stellen.

Auf Frage nach der Haltung des Iran berichtet AM, daß ihm der iranische AM Velayati den Eindruck vermittelt habe, daß der Iran die VN-Sanktionen gegen den Irak einhalte. Iran nutze die Möglichkeit zu einem für ihn günstigen Friedensschluß mit dem Irak, lasse sich jedoch dadurch in seiner ablehnenden Haltung gegen die Annexion Kuwaits nicht beirren. Er, AM, habe Velayati erklärt, daß sich die amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien zum Schutze seines Landes, aber auch im Interesse der Sicherheit des Iran aufhielten. Von Velayati sei dies akzeptiert worden. Es gebe insoweit keine widersprüchliche Haltung des Iran gegenüber der amerikanischen Truppenpräsenz in Saudi-Arabien. Der Iran als größtes Golf-Anrainerland habe ein vitales Interesse an der Gewährleistung seiner Sicherheit auf der Grundlage der territorialen Integrität aller Staaten der Region.

BK fragt, wie sich religiöse Entwicklungen auf die politische Lage im Mittleren und im Nahen Osten auswirkten.

AM antwortet, daß Saudi-Arabien mit Sicherheit das am stärksten vom Islam geprägte Land im Mittleren und im Nahen Osten sei. Wolle man die politische Haltung des Islam in der Golfkrise bewerten, komme daher der Stimme der religiösen Führer Saudi-Arabiens entscheidendes Gewicht zu. Diese seien eindeutig für eine US-Präsenz in Saudi-Arabien. Entgegengesetzte Stimmen aus Tunesien und Algerien verbrämten lediglich politische Hintergedanken mit einem religiösen Deckmantel.

BK fragt, bei welchen europäischen Ländern AM ein Nachlassen der Solidarität in der Golfkrise befürchte. AM erwidert, daß sich seine Befürchtungen nicht auf das Verhalten einzelner Länder bezögen. Entscheidend sei, daß die Völkergemeinschaft sich nicht in ihrer Grundhaltung beirren lasse, die auf völlige Wiederherstellung der "Legalität", d.h. des völkerrechtlich gesicherten status quo ante abziele. Wenn er von Wiederherstellung der Legalität spreche, gehe es ihm nicht so sehr um die Wiedereinsetzung des kuwaitischen Herrscherhauses. Europäer und Araber müßten jedoch gemeinsam darauf achten, daß sich die Haltung der Völkergemeinschaft nicht schrittweise in einem Sinne wandele, der ihren Grundvorstellungen widerspreche. BM Genscher habe dies so formuliert, daß es nicht darum gehe, eine "politische Lösung" zu erzielen, sondern eine "rechtliche Lösung" durchzusetzen.

BK kommt auf die Frage zurück, wie man die am stärksten von der Golfkrise geschädigten Staaten unterstützen könne. Er erläutert die deutschen Hilfszusagen für Ägypten, die Türkei und Jordanien und sagt Prüfung der saudi-arabischen Vorschläge einer Unterstützung Syriens und des Libanon zu.

BK bietet AM sodann an, die saudische Haltung durch Einflußnahme in Europa, in den USA und in der Sowjetunion abzustützen. AM nimmt dies mit Dank an. Zur sowjetischen Position gegenüber dem Irak äußert er, daß ihn deren klare Stellungnahme gegen Saddam Hussein beeindruckt habe. Die SU habe deutlich gemacht, daß sie in der irakischen Aggression auch eine Bedrohung der eigenen Sicherheit sehe. Zu dieser Erkenntnis habe auch die Einflußnahme der Bundesregierung beigetragen. Der Irak habe die sowjetische Meinungsbildung wirklich drastisch fehlbeurteilt.

BK weist darauf hin, daß er im November die Präsidenten Gorbatschow und Bush in Bonn sprechen werde. AM regt an, daß er, sofern die Lage dies erfordere, vorher noch einmal bei BK vorsprechen wolle. BK äußert, daß dies auch sein Vorschlag sei. Man könne jederzeit und ohne Protokoll zusammentreffen. Es lohne jede Mühe, eine Entzündung des Pulverfasses am Golf zu verhindern.

(Dr. Ueberschaer)

 

[1] BArch, B 136/59734, 65-73.

[Editor’s note: This document was also published, in the German original, in Andreas Wirsching, Hélène Miard-Delacroix, and Gregor Schöllgen, eds., Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1990 (Berlin; Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2021), https://doi.org/10.1515/9783110715552.]

Division 213

VLR I Dr. Ueberschaer                                                                   

Bonn, 15 October 1990

 

M e m o r a n d u m

Subject: The Chancellor's Meeting with the Foreign Minister of Saudi Arabia, Prince Saud Al Faisal, on 11 October 1990, 14.00-15.00 hours

Participants on the German side:

- The Chancellor

- MD Teltschik

- VLR I Dr. Ueberschaer as note taker

- Ms. Notbohm as interpreter

On the Saudi Arabian side:

- AM Prince Saud Al Faisal

- Prince Mohammed bin Nawaf, Director of the Inspection and Verification Department in the Saudi Arabian Foreign Ministry

- Ambassador Hassan Al Shawaf

- Dr. Khalid Al-Jandan as a note taker

 

The Chancellor (BK) assures AM Prince Saud Al Faisal (AM) of the special sympathy that he has felt for him since his visit to Saudi Arabia. He asks him to convey his greetings to the King as well. He, BK, welcomed an exchange of political views with the AM in the country, which played a key role in the political stability of the entire Middle East region, particularly in the current situation.

AM [Prince Saud Al Faisal] congratulates BK on the reunification and its international integration. BK has thus gained historical merits. The German unity has a great impact all over the world. It will also bring a breath of fresh air to the international institutions.

His country, Saudi Arabia, is currently facing several difficult problems that it can only solve with the support of the international community. In this situation, he still hopes for German solidarity.

BK describes the Middle and Near East as currently the most vulnerable region in the world. The barbaric act of the occupation and annexation of Kuwait by Iraq is inexcusable. Even earlier, the situation in the region was threatening enough due to the Israeli-Arab conflict. The events of the last few days on the Temple Mount in Jerusalem would have had catastrophic effects even without the Kuwait conflict. Now, they strengthened Saddam Hussein's position in the Arab world.

AM underlines the importance of the role that Germany and EC Europe are playing in this crisis. Saddam Hussein's aggression is directed not only against the Arab world but against the entire international community. He must not be victorious, but rather he must be pushed back. The firmness and solidarity shown by the Germans and the peoples of EC-Europe will be remembered in the hearts of the Arabs and the whole world. The attitude that the international community has shown so far in the Kuwait crisis is "heartwarming." On the other hand, the Arab solidarity is unfortunately not as strong as the Palestine question plays a role here. There are two basic attitudes among the Arabs: on the one hand, the normal attitude of solidarity, which countries like Saudi Arabia, Egypt, and Syria show towards the suffering Kuwaiti people, and on the other hand, the rather irrational attitude of the Palestinians. It was not based on the conviction that the Iraqi action is justified but on 40 years of frustration over the unjust treatment of the Palestine question by the international community. The Saudi attitude towards Saddam Hussein, however, had been strengthened by the recent events in Israel.

In response to a question from BK, AM reports that there was no clear evidence of this prior to the Iraqi invasion of Kuwait. Although the aggressive basic attitude of Saddam Hussein was well-known in Saudi Arabia, it was assumed that there were some changes after eight years of war against Iran and the resulting endangerment of Saddam Hussein's rule in it.

Therefore, the attack on Kuwait came as a complete surprise to Saudi Arabia. One had soon reached the conclusion that the next step would be an attack on Saudi Arabia.

When asked by BK whether Kuwait could have stopped Iraq from its attack through appropriate accommodation, e.g. on the question of access to the sea, AM replied in the negative. Saudi Arabia had wanted to mediate in this sense when Iraq threatened Kuwait in a memorandum a few days before the attack actually took place. Saudi Arabia recommended a solution within the Arab League or through Egypt's mediation. Thereupon, an initial meeting between representatives of Kuwait and Iraq had taken place, although Iraq had made it clear that it did not want a third party to be involved in a solution. This meeting, which was intended to create a favorable climate for another meeting in Baghdad, had failed. Seven hours later, the Iraqi attack against Kuwait had already started. The attack and occupation of Kuwait had clearly been planned in advance.

In the current situation, Iraq had to be approached with a strong and solidary stance. Saudi Arabia was certainly not bellicose, but its government was firmly convinced that a peaceful withdrawal of Iraqi troops from Kuwait could only be forced if they were faced with enough troops of their own, or allied ones. Likewise, if Iraq showed no readiness for a solution according to international law, the firm will to deploy troops had to be evident.

BK queried about the balance of power in Iraq and the extent to which the recent developments had an impact on Saddam Hussein. Germany supported the UN sanctions and would do everything possible to prevent them from crumbling. In the past, however, sanctions had unfortunately proven to be unsuitable for actually enforcing the aims pursued with them.

Economic or military pressure exerted on a dictatorship from abroad often tended to play into the hands of the dictator, as it easily lead to solidarity among the population with him. Dictatorships could develop extraordinary resilience under such circumstances.

In this context, BK mentions the unnecessary extension of World War II due to the politically unwise demand of the Allies for unconditional surrender and the Galbraith study on the impact of the bombing of German cities on the duration of the war.

Against this background, the question arises for him, BK, of whether the path of economic embargo chosen by the United Nations was really suitable for bringing Saddam Hussein to his knees. The decisive question (which he only addresses to AM) was that of the Iraqi people's ability and willingness to suffer.

AM notes that, internally, Saddam Hussein's dictatorship could be compared more with that of Stalin than with that of Hitler. Saddam Hussein had done as much harm to his own people as Stalin did. As an international warmonger, Saddam Hussein was similar to Hitler. If this had been stopped in time, there would not have been a Second World War. After the attack on Kuwait, it was again important to defend against the beginnings. There must be no Arab "Munich" if one wanted to prevent the destruction of Iraq and the annihilation of the Iraqi people.

There were now two alternatives for the international community: to allow Saddam Hussein's policy of aggression, or to stop him right at the beginning and thereby limit the damage. The decision of war or peace was not with the international community but with Iraq. If you let things go by and let Saddam Hussein have his way, the Arab countries would necessarily split into a pro-Iraqi and an anti-Iraqi group. The international community, including Germany, would then be forced to choose which group to cooperate with and which to make an enemy.

Regarding BK's question as to whether Saddam Hussein understood that he could not win a war against the international community, AM remarks that the dictator himself could not have a clear picture of the situation because some Arab forces gave him a wrong picture. He could not deny the question about forces in the Arab world that went so far as to strengthen Saddam Hussein's view that he could win a war. Some Arab governments, such as those in Jordan or Tunisia, had changed their basic stance since the Iraqi attack on Kuwait.

BK interjects that Iraq could not win a war simply because of the basic military and strategic position.

AM remarks that this was precisely why he could not understand the wrong advisers. In any case, Saudi Arabia did not want a victory for the destructive forces, but instead advocated the rule of law ("legality").

BK asks whether a solution was conceivable in which Saddam Hussein would withdraw from Kuwait and its legitimate government would return and then seek an amicable solution on the border issue.

AM notes that such a solution - through the mediation of the Arab League - was conceivable if it also included the abolition of Iraqi weapons of mass destruction. First, however, the restoration of the "legal order," i.e., the status quo ante, was necessary. Then one could start negotiations. Before August 2nd - the day of the Iraqi attack on Kuwait - Saudi Arabia had tried very hard to find a negotiated solution to the Iraqi-Kuwaiti border dispute. The fact that Iraq had chosen a violent solution showed that it was not concerned with the peaceful settlement of border disputes. Its aim instead pertained to forced changes of frontiers and power politics.

Only the solidarity of the international community and its insistence on international law could stabilize the situation in the Middle East again. The same also had to apply to the Middle East, i.e. to the Arab-Israeli conflict. Nevertheless, Saudi Arabia did not accept the linkage Saddam Hussein wanted. His linkage merely had the purpose to maintain the status quo on the Kuwait question and prevent a political solution.

If, on the other hand, it was now possible to find a solution to the Kuwait crisis according to international law, then such a solution would also be possible for the Middle East and Lebanon conflict. This would then enable people to live together peacefully in the entire region. The development of the German question was the best example of the possibility of political solutions to irreconcilable conflicts according to international law.

BK asks about the relationship between Saudi Arabia and Jordan. AM calls this “heartbreaking.” Saudi Arabia had been supporting King Hussein for 40 years and had always seen in him a voice of reason. Now he was suddenly giving himself up to gloss over the Iraqi occupation of Kuwait. This was incomprehensible and unacceptable for Saudi Arabia. King Hussein certainly had domestic political problems with the Palestinian part of his population. However, these problems were not so serious that they had forced him to take such a clear side with Saddam Hussein. In the past, he had always managed to pursue a balanced policy. Now, he has stabbed into a hornet's nest without need and thus enabled a development from which Jordan will suffer most. To side with the Palestinians was easy; but it would be much more difficult to break away from them again.

If Jordan was now being blackmailed by Iraq, it would only be because King Hussein had given Iraq too much influence. Saddam Hussein could not have done much against Jordan given the solidarity of moderate Arabs and Western countries like the USA and Germany. In the event of an Iraqi attack, all  these states would have stood by Jordan; in addition, the Jordanian army is ready to fight and well.

BK remarks that Israel would not have tolerated a military invasion of Jordan by Iraq either.

AM says that there were two troublemakers in the region: Iraq and Israel. Both wanted to establish a new order according to their own ideas. It was no wonder that some voices referred to a coordination of Iraqi and Israeli interests.

When asked by the Chancellor what attitude Saudi Arabia expects from Germany in the region, AM says that the best policy towards Iraq remained that of economic pressure according to the seven resolutions of the UN Security Council and in close solidarity with the international community. If he, AM, could express a wish for Germany and Europe, it would be to support Syria and Lebanon - two states that were of particular importance for a unified position in the Arab world

Syria was an essential bulwark against all Iraqi aggression. It had supported Iran very emphatically in the Iraqi-Iranian war. Germany should therefore lift the previous boycott measures against Syria. He, AM, had already obtained a promise from PM Thatcher that she would lift the British boycott against Syria.

Saudi Arabia supported Lebanon with $100 million. Further help from the West would do this battered country good.

Other countries that suffered from Iraqi aggression, and for which Germany and EC Europe could do something, included Djibouti and Somalia in Africa and Pakistan and Bangladesh in Asia.

Saudi Arabia did everything to protect itself militarily against Iraqi attacks. Saddam Hussein was not in a position to stop Saudi Arabia's oil production by military means. Nor is he the new Saladdin, whose call for holy war would be followed by the Arab world. Saddam Hussein merely had the support from certain fundamentalist groups and a few politicians, like Ben Bella, in the Arab world. However, this kind of support was not enough to seriously endanger the West - for example, through terrorism.

Contrary to what Iraqi propaganda claims, Saudi Arabia and the Gulf States had a combined population of 60 million people. These states did not represent "governments without peoples." In contrast to Iraq, where Saddam Hussein's supporters only make up 10-20% of the population, the people in all these countries stood behind their governments.

BK asked about the support of the Iraqi leadership among the people. From Libya, for example, there were always indications that Gaddafi's followers were crumbling. AM thinks that this should apply even more to Iraq and Saddam Hussein. The ongoing mass executions of real or suspected opponents of the regime were a sign of this. In Iraq, the mere suspicion of an anti-regime attitude was sufficient for a death sentence. For instance, there was an incident that King Fahd had learned from the former Jordanian Prime Minister. The latter had asked the Iraqi Defense Minister about a leading Iraqi figure whom he had last seen a month earlier. The answer was that this man had been executed as a traitor. His family and friends were also killed in the process. This was the preferred method because nobody could see any reason to ask further questions.

When asked about Iran's stance, AM reported that the Iranian AM Velayati had given him the impression that Iran was complying with the UN sanctions against Iraq. Iran used the opportunity to conclude a peace treaty with Iraq that was favorable to it but did not allow itself to be deterred in its negative attitude towards the annexation of Kuwait. He, AM, had told Velayati that American troops were in Saudi Arabia to protect his country, but also in the interests of Iran's security. This was accepted by Velayati. In this respect, there was no contradictory attitude of Iran towards the American troop presence in Saudi Arabia. Iran, as the largest country bordering the Gulf, had a vital interest in ensuring its security on the basis of the territorial integrity of all states in the region.

BK asks how religious developments affected the political situation in the Middle East.

AM replies that Saudi Arabia was certainly the most Islamic country in the Middle East. If one wanted to evaluate the political stance of Islam in the Gulf Crisis, the voice of the religious leaders of Saudi Arabia would have decisive weight. These were clearly for a US presence in Saudi Arabia. Opposing voices from Tunisia and Algeria merely disguised ulterior political motives with a religious guise.

BK queries in which European countries AM feared a decrease in solidarity in the Gulf crisis. AM replied that his fears did not relate to the behavior of individual countries. The decisive factor was that the international community does not allow itself to be deterred in its basic attitude, which aims at the complete restoration of "legality," i.e., the status quo ante secured by international law. When he speaks of the restoration of legality, he is not so much concerned with the restoration of the Kuwaiti ruling house. Europeans and Arabs, however, must jointly ensure that the attitude of the international community does not gradually change in a sense that it contradicts their basic ideas. BM Genscher had formulated this in such a way that it was not a question of achieving a "political solution," but of implementing a "legal solution."

BK comes back to the question of how one can support the countries that have been hardest hit by the Gulf crisis. He explains the German aid pledges for Egypt, Turkey, and Jordan and promises to examine the Saudi Arabian proposals to support Syria and Lebanon.

BK then offers AM to support the Saudi attitude by exerting influence in Europe, the USA, and the Soviet Union. AM accepts this with thanks. Regarding the Soviet position towards Iraq, he said that he was impressed by its clear position against Saddam Hussein. The SU had made it clear that they saw the Iraqi aggression also as a threat to their own security. The influence of the Federal government also contributed to this realization. Iraq very drastically misjudged the formation of Soviet opinion.

BK points out that he would speak to Presidents Gorbachev and Bush in Bonn in November. AM suggests that if the situation so requires, he should come and visit BK again beforehand. BK states that this was also his suggestion. They could meet at any time and without a protocol. It was worth every effort to prevent the powder keg in the Gulf from igniting.

[handwritten signature]

(Dr. Ueberschaer)

Kohl and Faisal discuss the situation in the Gulf, Germany's foreign policy and its financial assistance as well as Saddam Hussein's position in the Arab world.


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BArch, B 136/59734, 65-73. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2022-10-31

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300093