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July 20, 1995

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Telephone Conversation with Yugoslavia Mediator Carl Bildt on 20 July 1995, 12.45 hours

Dr. Bertram                                                                                                                        Bonn, den 20. Juli 1995

V e r m e r k

Betr.: Telefonat des Herrn Bundeskanzlers mit dem Jugoslawienvermittler, Carl Bildt, am 20. Juli 1995, 12.45 Uhr[1]

Bildt meldet sich aus Sarajevo. Auf Frage berichtet er, daß in Sarajevo gegenwärtig die Lage "normal" sei, nicht dramatisch. Er habe gestern eine Vereinbarung auf militärischer Ebene getroffen. Noch heute könnten erste Versorgungstransporte auf normalen Wege nach Sarajevo gelangen. Diese Vereinbarung zwischen General Smith und Mladic sei wichtig. Auf weitere Frage des Bundeskanzlers zur Versorgungslage der Bevölkerung erwiderte er, daß dies schwierig zu beurteilen sei. Seit April habe sich die Versorgung gradweise verschlechtert. Es gäbe aber keine Katastrophe. Wenn jetzt Nachschub komme, werde sich die Lage sehr schnell verbessern. Geregelt werden müßte auch noch der Zugangsweg über dem Berg Igman als Reserveweg für den Winter. Im übrigen gäbe es auch politische Bewegung bei Milosevic. Er werde zu diesen Punkten auf der morgigen Konferenz in London berichten. Milosevic sei an Frieden interessiert. Er sei zu entsprechenden Schritten bereit, z.B. zur Anerkennung von Bosnien-Herzegowina.

Bundeskanzler: Welche Folgen habe das? Was mache Karadzic?

Bildt: Wenn Milosevic Bosnien-Herzegowina anerkennt, dann sei das ein Rückschlag für Karadzic. Er werde dadurch etwas desavouiert. Es werde dann eine große politische Schlacht zwischen Milosevic und Karadzic folgen, die Milosevic gewinnen werde.

Bundeskanzler erläutert seinen Eindruck von der mittelfristigen Entwicklung. Er glaube, daß Karadzic sich in einer ausweglosen Situation befinde, in die er sich manövriert habe. Nach Abschluß der Operation werde er erledigt sein. Er wolle seine Ziele mit Gewalt erreichen und anschließend das gewonnene Territorium mit Serbien verbinden, um dann den Anspruch zu erheben, er und nicht Milosevic sei der Held und Führer eines Großserbiens.

Bildt: Mit der Anerkennung von Bosnien-Herzegowina durch Milosevic und damit der Anerkennung des politischen Systems sei für Karadzic diese Möglichkeit blockiert.

Bundeskanzler: Macht das Milosevic?

Bildt: Ja, macht er. Entscheidend sei aber Mladic, der das Kriegsgeschehen bestimme. Er befehle die Streitkräfte und mache seine eigene Sache.

Bundeskanzler: Mladic brauche Krieg. Er sei ein gesuchter Verbrecher.

Bildt: Mladic sei mehr am Frieden interessiert als Karadzic. Als Militär kenne er die Realität des Krieges.

Bundeskanzler: Was will er denn machen?

Bildt: Weiß ich nicht. Karadzic sei im übrigen ein Kriegsprofiteur.

Bundeskanzler: Was geschehe morgen auf der Konferenz?

Bild: Weiß ich nicht. Man habe gewisse militärische Maßnahmen vereinbart. Das könne gefährlich werden. Man müsse genau prüfen, was das sei.

Bundeskanzler erläutert eine sich abzeichnende Tendenz bei US, F und GB, vor Gorazde eine "rote Linie" als Abschreckung für die Serben zu vereinbaren. Es stelle sich dann die Frage nach dem Umfang des bisherigen Zweischlüsselerfordernisses. Er glaube nicht, daß die russische Seite zustimmen werde. Er habe mit Jelzin telefoniert, der nachdrücklich vor weiteren militärischen Aktivitäten gewarnt habe. Er (Bundeskanzler) habe Jelzin aufgefordert, seinen Einfluß auf Milosevic und auch auf Karadzic auszuüben. Es bleibe abzuwarten, was dabei herauskomme. Bundeskanzler stellte dann die Frage, was die "rote Linie" praktisch bringe.

Bildt: Wisse er auch nicht. Gorazde sei 100 km von Sarajevo entfernt. Um Truppen dort zu versorgen brauche man zur Sicherung das Landweges zwei Divisionen oder Kontrolle des Luftraums. Deshalb bleibe aus seiner Sicht nur der Verhandlungsansatz. Es bestehe keine unmittelbare Bedrohung für Gorazde. Langfristig Ja. Andernfalls müsse man bereit sein, Krieg zu führen. Dafür seien wir nicht vorbereitet.

Bundeskanzler: Kein Mensch geht in den Krieg. Dafür brauche man Hunderttausende von Soldaten.

Bildt: Alle unsere Truppen sind völlig unvorbereitet und sehr verwundbar.

Bundeskanzler stellt die Frage nach den Möglichkeiten aus der Sicht von Bildt. Der weist auf zwei Punkte hin, die große Bedeutung hätten, nämlich die bevorstehende Konferenz der muslimischen Staaten sowie die Initiative von Dole, der die Abstimmung über die Aufhebung des Waffenembargos um eine Woche zurückgestellt habe.

Er stellt dann Frage an Bildt, was er auf der Konferenz in London empfehlen werde.

Bildt: 1. Politische Verhandlung fortsetzen auch mit Milosevic. Das sei schwierig aber notwendig. 2. Vollständige Umgruppierungen der VN-Friedenstruppen 3. Kombinierte pol. mil. Führungsstruktur.

Die UNPROFOR-Truppen seien in sehr verwundbaren Positionen. Man habe keine Optionen, sondern sei zu Geiseln geworden. Das müsse geändert werden. Andernfalls habe Srebrenica ein Beispiel gegeben, wohin das führe. Es gäbe keine guten Optionen, sondern nur schlechte. Es bleibe nur die politische Option in Vereinbarung mit Milosevic sowie die militärische Umgruppierung. Ein militärisches Abenteuer ende in einer Katastrophe. Die westlichen Regierungen seien nicht bereit zu einer wirklichen Kriegsoperation.

Bundeskanzler stimmt zu. "Das kann man nicht machen". Er erläutert den deutschen Kriegseinsatz in Jahren 41 - 45 mit 500 000 erfahrenen und gut ausgebildeten Soldaten in der Region. Auch sie seien nicht in der Lage gewesen, sich militärisch durchzusetzen. Der Kanzler unterstreicht, daß er es für ausgeschlossen halte, jemals dorthin Soldaten zu schicken, die einen Krieg führen. Nach den ersten 100 Toten würde die Stimmung in allen Ländern kippen.

Bildt weist hin auf gewisse militärische Tendenzen in Paris.

Bundeskanzler: Ja, aber zwischen Reden und Handeln besteht ein großer Unterschied. Am Ende werde die Blamage nur noch größer.

Er (Bundeskanzler) werde ständig gefragt, warum er nicht mehr tue. Er werde keine Kriegstruppen dort hinschicken. Die anderen würden das auch nicht machen.

Bildt teilte dann mit, daß er heute Abend nach London fliege und in der Folgezeit sich an wechselnden Orten aufhalten werde.

Der Bundeskanzler schlägt ihm vor, daß er in ca. 14 Tagen bis 3 Wochen bei ihm am Urlaubsort Salzburg vorbeikommen könnte. Dies könne er nächste Woche mit Herrn Roik vereinbaren. Er lasse ihn dann in Salzburg mit dem Auto abholen. Im übrigen könne Bildt ihn jeder Zeit anrufen. Bundes-kanzler gab Bildt die Telefonnummern seines Urlaubsortes.

(Dr. Bertram)

 

[1] BArch, B 136/59748, 214-217.

Dr. Bertram                                                                                                                                        Bonn, 20 July 1995

 

M e m o r a n d u m

 

Subject: Chancellor's Telephone Conversation with Yugoslavia Mediator Carl Bildt on 20 July 1995, 12.45 hours[1]

 

Bildt calls from Sarajevo. Upon the Chancellor’s question, he says that the situation in Sarajevo was currently "normal" and not dramatic. Yesterday, he had concluded an agreement on the military level. Still today, it would be possible to transport supplies to Sarajevo on the normal route. This agreement between General Smith and Mladic was important. Upon the Chancellor’s further question with regards to the supply situation of the populace, Bildt replies that it was difficult for him to give an estimate in this regard. Since April, the supply situation had gradually been deteriorating, but there would not be any kind of a catastrophe. If one was not able to deliver supplies, the situation would improve very fast. Moreover, one had to find an agreement on the supply route via Mount Igman which was a backup-route for winter. By the war, there was some political on Milosevic’s side as well. He would report on these development at tomorrow’s conference in London. Milosevic was interested in peace. He was ready to take the appropriate steps such as the recognition of Bosnia-Hercegovina for instance.

The Chancellor: What were the consequences? What was Karadzic’s position?

Bildt: If Milosevic recognized Bosna-Hercegovina, it would be a setback for Karadzic. He would be disavowed to some extent, and this would turn into a large political battle between Milosevic und Karadzic which Milosevic would win.

The Chancellor elaborates on his impressions with regards to the development of things in the medium-term. He thought that Karadzic was in a hopeless situation. He would be done after this operation. He wanted to achieve his objectives using force and was trying to connect the conquered territories with Serbia in order to raise the claim to be Milosevic’s successor and the hero of a Greater Serbia instead of Milosevic.

Bildt: This opportunity was blocked through Milosevic’s recognition of Bosnia-Hercegovina.

The Chancellor: Will Milosevic do it?

Bildt: Yes, he will. However, the decisive man was Mladic who was in charge of the military operations and pursued his own objectives.

The Chancellor: Mladic needed war. He was a wanted criminal.

Bildt: Mladic had a greater interest in peace compared to Karadzic. As a military man, he knew the reality of war.

The Chancellor: What is he planning?

Bildt: I don’t know. By the way, Karadzic was a benefactor of the war.

The Chancellor: What will be happening on the conference tomorrow?

Bildt: I don’t know. One would agree on certain military measures. This could be dangerous. One had to review the details.

The Chancellor discusses the tendency among the U.S., France and Great Britain to draw a "red line" in front of Gorazde in order to deter the Serbs. This would raise the question about the applicability of the previous dual-key requirement. He did not think that the Russian side would endorse this. He had called Yeltsin who had emphatically cautioned from further military activities. He  (The Chancellor) had called upon Yeltsin to use his influence on Milosevic and also on Karadzic. One had to wait and see what the outcome would be. The Chancellor then asks what the "red line" would bring in practice.

Bildt: I don’t know. Gorazde was 100 km away from Sarajevo away. In order to supply troops, one needed two divisions to secure the land route or one had to control the airspace. Thus, from his vantage point, the negotiating approach was the only chance. There was no immediate danger for Gorazde. Over the long-terms, yes. Otherwise, one had to be ready for war. We would not be ready for it.

The Chancellor: Nobody would go to war. One needed hundreds of thousands for soldiers.

Bildt: All our troops are entirely unprepared and very vulnerable.

The Chancellor queries about potential opportunities from Bildt’s perspective. The latter points to two points of particular importance, namely the imminent conference of the Muslim states as well as an initiative from Dole who had deferred the vote on a lifting of the arms embargo by a week. The Chancellor then asks Bildt about his recommendations at the London conference.

Bildt: 1. Continue political negotiations also including Milosevic. This was difficult but necessary. 2. Complete restructuring of the UN peace forces. 3. Combined politico-military leadership structure.

The UNPROFOR troops were in a very vulnerable position. One did not have options, but had become hostages. This had to be changed. Otherwise, Srebrenica had given an example of where this could lead. There were no good options, only bad ones. The only political option was to have an agreement with Milosevic as well as a military restructuring. Any kind of military adventure would end up in disaster. The Western governments were not ready at all for a true war operation.

The Chancellor agrees. "One cannot do this". He then refers to the German war operations in the years between 1941 - 45 entailing 500 000 experienced and well-trained soldiers in the region. The had also not been able to prevail militarily. The Chancellor says that he would totally exclude the option of deploying soldiers who would be conducting war. Public opinion would turn after the first 100 dead soldiers.

Bildt refers to certain military tendencies in Paris.

The Chancellor: Yes, but there was a big difference between rhetoric and action. Eventually, the loss of face would even be larger. He (the Chancellor) would be permanently asked why he was not doing more. He would not deploy any kind of combat forces. The other would not do this as well.

Bildt then says that he would be flying to London tonight and would be in different place in the next few days.

The Chancellor says that Bildt could visit him at his vacation place in close to Salzburg in 14 days or three weeks. He could arrange a specific date with Mister Roik. He would have somebody pick him up by car in Salzburg. By the way, Bildt could call him any time. The Chancellor gave Bildt his telephone details at his vacation place.

(Dr. Bertram)

 

[1] BArch, B 136/59748, 214-217.

Kohl and Bildt analyze the situation in former Yugoslavia and agree that the key NATO states were not willing to start  a war including hundreds of thousands of soldiers. Kohl says it was out the question for him to send German soldiers waging war in the Balkans.


Document Information

Source

BArch, B 136/59748, 214-217. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-09-29

Type

Telephone Conversation

Language

Record ID

300229