Skip to content

December 27, 1990

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Conversation with the Turkish President Özal on Friday, 21 December 1990

GL. 21                                                                                                                                   

Bonn, 27, Dezember 1990

V e r m e r k

Betr.: Ihr Telefongespräch mit dem türkischen Präsidenten Özal am Freitag, 21. Dezember 1990[1]

Präsident Özal stellt eingangs die Frage, wie der Bundeskanzler den bevorstehenden Rücktritt des sowjetischen Außenministers Shewardnadse beurteile.

Der Bundeskanzler antwortet, der Vorgang sei im Augenblick noch schwer zu durchschauen. Er sehe zwei Motive: Es könne sich um einen Akt der Resignation handeln - was er allerdings nicht glaube -, es könne aber auch der Versuch sein, ein Signal zu setzen. Er sei überzeugt, daß Präsident Gorbatschow versuchen werde, sich durchzusetzen.

Natürlich könne man im Augenblick nicht genau wissen, was sich abspiele. Der Bundeskanzler bezieht sich auf ein Gespräch mit Gorbatschow und Shewardnadse im vergangenen Sommer, bei dem er den Eindruck gewonnen habe, daß beide eine sehr enge persönliche Beziehung hätten. Er bezweifele daher - obschon er auch dies nicht ausschließen könne - daß die Wege beider sich jetzt getrennt hätten.

Unser Interesse müsse es weiterhin sein, daß Gorbatschow im Amt bleibe, und im übrigen wolle er auch nicht ausschließen, daß Shewardnadse eine andere Funktion übernehme. Es handele sich in der Tat um eine sehr wichtige Entwicklung, und er hoffe, daß die Vereinigten Staaten sich ihr gegenüber klug verhielten.

Präsident Özal erklärt, er habe vor einigen Tagen mit Shewardnadse gesprochen. In diesem Gespräch habe er keinerlei Andeutungen hinsichtlich seines beabsichtigten Rücktritts gemacht. Shewardnadse habe sehr nachdrücklich auf die schwierige Lage in der Sowjetunion hingewiesen. Möglicherweisen hätten ihn die Falken bedrängt. Sie bedrängten aber auch Gorbatschow, um ihn zu bewegen, harte Maßnahmen zu ergreifen. Er habe im übrigen den Eindruck, daß Shewardnadse liberaler sei als Gorbatschow.

Der Bundeskanzler erwidert, dies sei möglich, aber Shewardnadse befinde sich auch in einer anderen Lage. Es könne durchaus sein, daß Gorbatschow es gerne sehe. daß Shewardnadse diese Rolle spiele.

Präsident Özal wirft ein, man müsse sehen, daß die Sowjetunion riesige Probleme habe.

Der Bundeskanzler fährt fort, dies treffe in der Tat zu. Er bleibe aber dabei, daß wir versuchen müssen, soweit wie möglich Gorbatschow zu helfen, denn wenn er Erfolg habe, werde dies auch positive Folgen für uns haben.

Präsident Özal erklärt, die Türkei habe soeben ein Abkommen über 300 Mio. Dollar mit der Sowjetunion unterzeichnet. Mit diesem Betrag könne die Sowjetunion Waren in der Türkei einkaufen.

Der Bundeskanzler stellt die Frage, wie Präsident Özal die Lage im Irak sehe.

Präsident Özal erklärt, er habe vor einigen Tagen mit Präsident Bush telefoniert und habe versucht, ihm deutlich zu machen, daß Saddam Hussein nach seinem Eindruck nicht die richtige Botschaft erhalten habe. Dies habe auch damit zu tun, daß es beträchtliche Verständnisunterschiede zwischen den beiden Kulturen gebe.

Der Bundeskanzler wirft ein, dies sehe er auch so.

Präsident Özal fährt fort, Präsident Bush habe vorgeschlagen, daß der irakische Außenminister Aziz in die USA und AM Baker in den Irak reise. Saddam Hussein scheine dies als ein Zeichen amerikanischer Schwäche auszulegen. Der irakische Präsident habe natürlich auch gehört, daß es im Senat eine breite Diskussion über den Sinn und Zweck einer militärischen Aktion gegenüber dem Irak gebe. Saddam Hussein ziehe hieraus den Schluß, daß das amerikanische Volk keinen Krieg wolle. Aus diesem Grunde gebe er sich im Augenblick recht zuversichtlich.

Man müsse Saddam Hussein daher deutlich zeigen, daß die Vereinten Nationen und die USA entschlossen seien, die entsprechenden Beschlüsse durchzuführen. Das bedeute, daß es Krieg geben werde, wenn Saddam Hussein sich nicht aus Kuwait zurückziehe.

Der Bundeskanzler erklärt, er teile diese Auffassung nicht. Es sei zwar richtig, daß die Amerikaner Probleme hätten, die Lage richtig zu verstehen. Aber man müsse unterscheiden zwischen dem, was Saddam Hussein öffentlich erkläre - und in diesem Punkt habe der Präsident recht - und dem, was er in seinem Innersten denke. Er, der Bundeskanzler, sei eher der Auffassung, daß Saddam Hussein zutiefst beunruhigt sei.

Er habe dem Irak die klare Botschaft zukommen lassen, daß er fest mit einem Krieg rechnen müsse und daß man dort keine Illusionen haben dürfe, wenn er nicht entsprechend vorher reagiere. Er selber schließe nicht aus, ja wäre nicht überrascht, wenn Saddam Hussein sich bewege.

Auf eine Rückfrage des Präsidenten erklärt der Bundeskanzler, er meine, daß der Irak durchaus bereit sein könne, sich ein Stück aus Kuwait zurückzuziehen. Er wisse das natürlich nicht mit Sicherheit, aber Saddam Hussein sei sich der Stärke der anderen Seite voll bewußt.

Präsident Özal erklärt, er glaube, daß die nächsten 15 Tage entscheidend dafür sein würden, d aß Saddam Hussein die Botschaft verstehe.

Der Bundeskanzler stimmt zu und ergänzt, dies müsse Saddam Hussein auf allen Kanälen deutlich gemacht werden. Man müsse handeln, bevor es zu spät sei. Ein Krieg werde niemandem nützen.

Präsident Özal greift sodann die Frage der Entsendung der mobilen Eingreiftruppe der NATO in die Türkei auf.

Der Bundeskanzler erklärt, die Sache sei außerordentlich unglücklich gelaufen. Er sei über den Vorgang empört. Dies müsse er in aller Offenheit und Freundschaft sagen, wobei er nicht hinzuzufügen brauche, daß er auf Seiten der Türkei stehe und sich als ein persönlicher Freund des Präsidenten empfinde.

Er habe von der ganzen Angelegenheit zum ersten Mal durch eine Pressemeldung erfahren. Diese sei hier wie eine Bombe eingeschlagen. Dann habe man ihn in wenigen Stunden vor der anberaumten Sitzung offiziell unterrichtet. Ein solches Verfahren sei nicht akzeptabel.

Der Präsident müsse wissen, daß wir derzeit mitten in einer von Verfassungsdebatte stünden, bei der sich die Opposition gegen die ihm gewünschten Änderungen stelle. Selbstverständlich sei klar, daß die Bundesrepublik Deutschland zur NATO stehe und insbesondere zu Artikel 5 des NATO-Vertrages.

Der Bundeskanzler trägt Präsident Özal sodann die einzelnen Punkte der heute an die NATO-Vertretung ergangenen Weisung vor. Ergänzend erklärt er zu Punkt 3 der Weisung, daß er allein in dieser Frage die erforderliche Entscheidung treffen werde.

Jetzt gehe es darum, daß man sich in den nächsten Tagen auf dem laufenden halte. Er wolle noch einmal klar sagen, daß wir selbstverständlich unsere Freunde nicht im Stich ließen. Er müsse allerdings Wert darauf legen, daß er selber in den Entscheidungsprozeß eingebunden sei, denn er trage schließlich die innenpolitische Verantwortung.

Präsident Özal erklärt, der Bundeskanzler habe recht und er verstehe seinen Standpunkt gut. Auch sie glaubten nicht, daß Irak die Türkei angreifen werden, die Entsendung der mobilen Eingrifftruppe sei vielmehr als ein Signal an den Irak zu sehen. Es gehe um eine reine Abschreckungsmaßnahme, die Saddam Hussein dazu bewegen solle, sich aus Kuwait zurückzuziehen.

Der Bundeskanzler erklärt, er verstehe diese Interpretation durchaus, bitte aber dringend darum, daß der Präsident den türkischen Vertreter in der NATO anweise, auch für die deutsche Position Verständnis zu zeigen.

Der Bundeskanzler wiederholt, Präsident Özal könne sich auf ihn verlassen und er würde es sehr begrüßen, wenn man in den nächsten drei Wochen engen Kontakt halte. Der Bundeskanzler fragt sodann Präsident Özal, ob er eine Möglichkeit habe, Saddam Hussein noch eine Botschaft des Inhalts zukommen zu lassen, daß die Lage wirklich ernst sei.

Präsident Özal erklärt, er habe private Kanäle, die er für derartige Botschaften benutzen könne, habe aber gewisse Zweifel an deren Wirksamkeit. Die Zeit dränge, und er sei sich nicht sicher, daß die Botschaft noch ankomme. Er befürchte vielmehr ernsthaft die Gefahr eines Krieges.

Der Bundeskanzler und Präsident Özal verabreden abschließend ein Treffen für Ende Januar/Anfang Februar ins Auge zu fassen.

(Dr. Hartmann)

 

[1] BArch, B 136/59734, 217-220.

[Editor’s note: This document was also published, in the German original, in Andreas Wirsching, Hélène Miard-Delacroix, and Gregor Schöllgen, eds., Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1990 (Berlin; Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2021), https://doi.org/10.1515/9783110715552.]

Head of Division 21                                                                                                         

Bonn, 27 December 1990

M e m o r a n d u m

Subject: The Chancellor's Conversation with the Turkish President Özal on Friday, 21 December 1990

 

At the beginning, President Özal asks how the Chancellor assessed the imminent resignation of Soviet Foreign Minister Shevardnadze.

The Chancellor replies that the process was currently still difficult to figure out. He saw two motives: It could be an act of resignation – which he did not believe, however. But it could also be an attempt to send a signal. He was convinced that President Gorbachev would try to get his way. Of course, at the present one could not exactly know what was going on.

The Chancellor refers to a conversation with Gorbachev and Shevardnadze last summer, during which he got the impression that they both had a very close personal relationship. He therefore doubted that the two had now parted ways, although he could not rule this out either. It was in our continued interest that Gorbachev remained in office. Moreover, he did not want to rule out that Shevardnadze might take on another function. It was a very important development indeed, and he hoped the United States would act wisely on it.

President Özal says that he had spoken to Shevardnadze a few days ago. In this conversation, he had made no suggestion of his intended resignation. Shevardnadze had very emphatically pointed out the difficult situation in the Soviet Union. The hawks might have been harassing him. But they had also pressured Gorbachev to persuade him to take tough measures. Incidentally, he had the impression that Shevardnadze was more liberal than Gorbachev.

The Chancellor replies that this was possible, but Shevardnadze was also in a different situation. It could well be that Gorbachev wanted Shevardnadze to play this role.

President Özal interjects that one had to see that the Soviet Union has enormous problems.

The Chancellor goes on to say that this was indeed the case. He insists, however, that we had to try to help Gorbachev as much as possible, because if he succeeded, this would also have positive consequences for us.

President Özal says that Turkey had just signed a $300 million deal with the Soviet Union. With this amount, the Soviet Union could buy goods in Turkey.

The Chancellor asks how President Özal saw the situation in Iraq.

President Özal says that he had spoken to President Bush a few days ago and tried to make it clear to him that what he saw was that Saddam Hussein had not received the correct message. This also had to do with the fact that there were considerable differences in understanding between the two cultures.

The Chancellor interjects that he saw it that way too.

President Özal goes on to say that President Bush had proposed that Iraqi Foreign Minister Aziz go to the US and AM Baker to Iraq. Saddam Hussein seems to interpret this as a sign of American weakness. The Iraqi President had, of course, also heard that there had been a broad discussion in the Senate about the meaning and purpose of military action against Iraq. Saddam Hussein had concluded that the American people did not want war. For this reason, he was currently very confident.

Thus, one must clearly show Saddam Hussein that the United Nations and the USA were determined to implement the relevant decisions. That means that there would be war if Saddam Hussein does not withdraw from Kuwait.

The Chancellor declares that he did not share this view. It was true that the Americans had problems understanding the situation properly. But one had to distinguish between what Saddam Hussein declared publicly – and on this point, the President was right – and what he thought in his innermost being. He, the Chancellor, rather thought that Saddam Hussein was deeply concerned.

He had sent a clear message to Iraq that he had to firmly reckon with a war and that there should be no illusions if he did not react appropriately beforehand. He himself did not rule it out and would not be surprised if Saddam Hussein moved.

In response to a question from the President, the Chancellor says that he believed that Iraq could be ready to withdraw a bit from Kuwait. He did not know for sure, of course, but Saddam Hussein was fully aware of the strength of the other side.

President Özal says that he believed the next 15 days would be crucial for Saddam Hussein to understand the message.

The Chancellor agrees and adds that this must be made clear to Saddam Hussein through all channels. One had to act before it was too late. A war would not help anyone.

President Özal then takes up the question of sending the NATO mobile reaction force to Turkey.

The Chancellor declares that the matter was extremely unfortunate. He had been outraged by the process. He had to say this in all frankness and friendship, without needing to add that he was on the side of Turkey and saw himself as a personal friend of the President.

He had first heard of the whole affair through a press release. This had hit like a bomb. Then, he had been officially briefed a few hours before the scheduled meeting. Such a procedure was not acceptable.

The President had to know that we were currently in the middle of a constitutional debate in which the opposition was opposed to the changes he had requested. Of course, it was clear that the Federal Republic of Germany stood by NATO and in particular by Article 5 of the NATO Treaty.

The Chancellor then presents the individual points of the instructions given to the NATO mission today to President Özal. Additionally, in reference to point 3 of the instruction, he explains that he alone would make the necessary decision on this issue. Now, it was a matter of keeping up to date over the next few days. He wanted to once again make it clear that we would, of course, not abandon our friends. However, he had to make sure that he was involved in the decision-making process himself, because he was ultimately responsible in terms of domestic politics.

President Özal says that the Chancellor was right and that he understood his point of view well. They also did not believe that Iraq would attack Turkey. The deployment of the mobile intervention force should rather be seen as a signal to Iraq. It was a deterrent measure that should persuade Saddam Hussein to withdraw from Kuwait.

The Chancellor declares that he fully understands this interpretation, but urgently requests that the President instruct the Turkish representative in NATO to show understanding for the German position.

The Chancellor reiterates that President Özal could rely on him and that he would very much like to see close contact over the next three weeks. The Chancellor then asks President Özal whether he had any way of sending Saddam Hussein another message explaining that the situation was truly serious.

President Özal replies that he had private channels that he could use for such messages, but he had certain doubts about their effectiveness. Time was running out, and he was not sure that the message would still arrive. Rather, he seriously feared the danger of war.

The Chancellor and President Özal finally agree to consider a meeting for the end of January/beginning of February.

 

[signature]

(Dr. Hartmann)

 

Kohl and Özal debate the Gulf crisis and Turkey's request for the deployment of the air component of NATO's Allied Command Europe Mobile Force. In addition, they discuss the resignation of Soviet Foreign Minister Shevardnadze.


Document Information

Source

BArch, B 136/59734, 216-221. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

Rights

The History and Public Policy Program welcomes reuse of Digital Archive materials for research and educational purposes. Some documents may be subject to copyright, which is retained by the rights holders in accordance with US and international copyright laws. When possible, rights holders have been contacted for permission to reproduce their materials.

To enquire about this document's rights status or request permission for commercial use, please contact the History and Public Policy Program at [email protected].

Original Uploaded Date

2023-01-20

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300100