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March 31, 1995

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with Polish President Walesa in Copenhagen on 11 March 1995

Abteilungsleiter 2                                                                                                             Bonn, den 31. März 1995

V e r m e r k

Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit dem polnischen Staatspräsidenten Walesa am 11. März 1995 in Kopenhagen[1]

Aus dem einhalbstündigen, in freundschaftlich-lockerer Atmosphäre geführten Gespräch ist im wesentlichen festzuhalten:

1. Innenpolitische Lage in Polen 

Staatspräsident Walesa betonte im Hinblick auf die kürzliche Regierungskrise, daß das Land nach 50 Jahren ohne Parteien und ohne Parlamentarismus noch nicht auf ein demokratisch geformtes Regieren vorbereitet sei. Die Parteien verfügten weder über einen richtigen Unterbau noch über eine Basis. Im Regelfall würden leider die größten Fehler gleich nach der Revolution gemacht werden. Es seien daher aus seiner Sicht Korrekturen und Veränderungen notwendig, um solche Fehler abzustellen bzw. für die Zukunft zu vermeiden. Polen komme aber langsam auf den richtigen Weg. Der Kommunismus kehre nicht zurück, auch wenn die früheren Persönlichkeiten und Parteien in veränderter Form wieder in die Regierung und die Parlamente zurückkommen. Anspielend auf die Entwicklung auch in Ungarn und der Tschechischen Republik hob Staatspräsident Walesa hervor, daß es natürlich ein Problem sein könne, in welcher Breite diese Vertreter zurückkommen.

Der Bundeskanzler entgegnete, daß er den innenpolitischen Weg und das Handeln des Staatspräsidenten respektiere. Als er den Namen des neuen Außenministers gelesen habe, habe er applaudiert. Er bitte Staatspräsident Walesa, dem neuen Außenminister einen herzlichen Gruß zu übermitteln.

2. Besuch des Bundeskanzlers in Polen 

Der Bundeskanzler betonte, daß er die Entscheidung über seinen beabsichtigten Besuch in Polen sofort nach Abschluß der Regierungsumbildung getroffen habe. Er möchte gern vor der Sommerpause nach Polen kommen, dabei aber auch ein bis zwei Tage außerhalb von Warschau verbringen, um ganz informell das Land näher kennenzulernen.

Staatspräsident Walesa erwiderte, der Bundeskanzler sei zu jedem Termin in Polen herzlich willkommen.

3. EU- und NATO-Erweiterung 

Staatspräsident Walesa sprach mit großem Nachdruck EU- und vor allem NATO-Erweiterung an, Er sehe ein, daß der Beitritt zur EU vor allem ein wirtschaftlicher Prozeß sei und daher länger dauern werde. Beim NATO-Beitritt handele es sich jedoch um eine reine politische Entscheidung. Er rechne insofern fest mit der Hilfe Deutschlands, diesen Beitritt möglichst schnell zu vollziehen. Polen stelle keine Gefahr für Rußland dar, Polen habe auch keine Angst vor Rußland. Auch Rußland sei umgekehrt keine Gefahr für Polen. Polen wolle sich eindeutig für eine der beiden Seiten, nämlich für den Westen, entscheiden. Er habe Verständnis dafür, daß der Westen dabei auch die Bedeutung Rußlands im Auge haben müsse. Der Westen dürfe hier aber kein Veto Rußlands zulassen. Die Erfahrung lehre ihn, daß es nichts bringe, "den Bär milder zu machen". Sein kürzliches Gespräch mit MP Tschernomyrdin sei in den wirtschaftlichen und bilateralen Dingen sehr vernünftig gewesen, dies gelte aber in keiner Weise für das Thema NATO-Erweiterung. Er habe MP Tschernomyrdin klar gesagt, daß Polen die Russen nicht fragen würde, ob sie zur NATO beitreten dürften. MP Tschernomyrdin habe demgegenüber darauf verwiesen, daß es nicht angehen könne, daß die NATO Truppen in Polen disloziere. Er, Walesa, habe ihm geantwortet, daß 1995 im Rahmen des Programms "Partnerschaft für den Frieden" Manöver mit der NATO stattfinden würden; MP Tschernomyrdin müsse sich an diese neuen Gegebenheiten gewöhnen. Man dürfe gegenüber den Russen nicht nachgeben, sondern sehr entschieden vorgehen, da sonst die Russen dies als Schwäche auslegen und immer mehr verlangen würden. Wenn man jetzt nicht handele, würde der Widerstand auf russischer Seite später noch stärker.

Der Bundeskanzler verwies darauf, daß man in der Sache in Wahrheit nicht weit auseinander sei. Man müsse aber in Sachen EU- und vor allem NATO-Erweiterung mit Klugheit und psychologisch geschickt vorgehen. Es sei für ihn klar, daß es nicht angehen könne, insofern die Russen um Erlaubnis oder Genehmigung zu fragen. Man müsse insofern aber Überraschungen für die Russen vermeiden und erlauben, daß sie das Gesicht wahren. Ein Veto-Recht Rußlands sei indiskutabel. Man müsse Rußland aber helfen, damit dort keine künstlichen Sicherheitsgefühle und Ängste sich breit machten. Er stehe hierzu im Gespräch sowohl mit Clinton als auch mit Jelzin. Man habe hier einen Prozeß

eingeleitet, den man Stück für Stück zum Ergebnis führen müsse. Seine Position in Sachen EU-Beitritt sei bekannt. Wann Polen der EU beitreten werde, bestimmte sich danach, ob die Menschen in Polen dies wollten und ob Polen einen bestimmten Status in Wirtschaft und Politik erreicht habe. Sein Ziel sei es, Polen dabei zu helfen, und zwar aus deutschen wie aus europäischen Gründen. Er wolle erreichen, daß die Oder-Neiße-Grenze langfristig die gleiche Bedeutung wie die deutsch-französische Grenze haben werde, die mittlerweile nur noch eine reine Verwaltungsgrenze geworden sei. Polen müsse bei allem Engagement Deutschlands wissen, daß in Wahrheit die Mehrheit der europäischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erweiterung zurückhaltend sei und nicht in gleicher Weise helfen wolle.

(Bitterlich)

 

[1] BArch, B 136/59748, 195-197.

Head of Department 2                                                                                                                   Bonn, 31 March 1995

M e m o r a n d u m

 

Subject: Chancellor's Meeting with Polish President Walesa in Copenhagen on 11 March 1995[1]

 

The main issues from the 90 minute talk are summarized below. It was held in a friendly and relaxed atmosphere.

1. Domestic Situation in Poland 

With regards to the current crisis of government, President Walesa says that the country was not sufficiently prepared for a democratically formed government given 50 years without parties and without parliamentarianism. The parties did not have much of a proper foundation nor many members. It was usual that the worst mistakes were made immediately after revolutions. Thus, from his vantage point, there was a necessity for corrections and changes in order to stop such mistakes and to avoid them in the future. Poland was slowly getting back on the right track. Communism would not return even though former leadership personnel and parties were getting back on the stage in some kind of new shape as parts of the government and in the parliament. Alluding to the development in Hungary and in the Czech Republic, President Walesa says that it could be problematic if a large number of these representatives returned.

The Chancellor says that he had respect for the domestic path and for the policy that the President pursued. When he read the name of the new Foreign Minister, he applauded. He asked President Walesa to pass his warm regards to the Foreign Minister.

2. Chancellor’s Visit in Poland 

The Chancellor reiterates that he had taken the decision in favor of a visit in Poland right after the government reshuffle. He was planning to come still prior to the summer break and he would like to spend a day or two outside of Warsaw as well in order to get to know the country in informal way.

President Walesa replies that the Chancellor was very welcome for a visit in Poland any time.

3. EU and NATO Enlargement 

President Walesa then refers to EU and NATO enlargement with great emphasis. He accepted that EU enlargement was first and foremost an economic process that would thus take longer. As far as NATO accession was concerned, this was a purely political decision. He was anticipating Germany’s firm support in order to implement Poland’s accession as fast as possible. Poland was not a danger for Russia, but Poland was not afraid of Russia either. However, vice versa. Russia was a danger for Poland. Poland clearly wanted to come out in favor of one side, and that was the West. He would accept that the West also had to take into account Russia’s relevance. However, the West must not permit a veto for Russia. Experience taught him that it did not pay off to "appease the bear with mildness". His most recent meeting with Prime Minister Chernomyrdin had been very sensible in terms of economic and bilateral things, but this did in no way for their discussion on NATO enlargement. He had clearly told Prime Minister Chernomyrdin that Poland would not ask Russia for permission to join NATO. In contrast, Prime Minister Chernomyrdin points out that it was not acceptable for Russia if NATO deployed troops in Poland. He, Walesa, had responded that in 1995, NATO maneuvers would take place in Poland within the framework of the Partnership for Peace program. Prime Minister Chernomyrdin had to adapt to new circumstances. One must not cave in in one’s relations with the Russians. Rather, one had to act very decisively as the Russians would otherwise perceive one’s position as a sign of weakness and would be demanding ever more. If one did not act now, Russia’s opposition would even grow at a later point in time.

The Chancellor pointed out that in fact, one was not far away from each other in terms of substance, but one had to proceed with produce and without psychological skill in terms of EU and NATO enlargement. From his perspective, it was clear that one must not ask the Russians for their permission authorization. However, at the same time, one had to avoid surprises for the Russians so that they could save face. Any kind of veto right for Russia was not acceptable. However, one had to help Russia in order to avoid a spread of artificial feeling of insecurity and anxieties. In this regard, he was in touch with Clinton and as well as Yeltsin. One had launched a process that one had to continue step-by-step.

His position in terms of EU accession was well known. The timing of Poland’s accession would be determined by the desires of Poland’s people and by Poland status in terms of economic and politics. His objective was to help Poland in this regard both for German and for European reasons. His long-term aims was for the Oder-Neiße-frontier to have the same meaning as the border with France which had meanwhile just turned into a purely administrative border. Despite Germany’s strong engagement, Poland had to be aware that in fact, the majority of the EU member states was reluctant about Poland’s accession and was not prepared to help to the same extent.

(Bitterlich)

 

[1] BArch, B 136/59748, 195-197.

Kohl and Walesa examine the state of NATO enlargement and EC enlargement. Walesa sees EC enlargment first and foremost as an economic process that would take longer. The decision for NATO enlargement could be taken faster, Walesa argues. Kohl reiterates the necessity of a "face-saving" solution for Russia short of giving Russia a veto over NATO enlargement.


Document Information

Source

BArch, B 136/59748, 195-197. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-09-28

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300226