Clinton and Kohl discuss German-American relations, the situation in Russia, the Russo-Japanese territorial dispute, and other international issues.
March 29, 1993
The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meeting with U.S. President Clinton on Friday, 26 March 1993 in Washington
AL 2 Bonn, 29. März 1993
V e r m e r k
Betr.: Gespräch des Herrn Bundeskanzlers mit dem amerikanischen Präsidenten Clinton am Freitag, 26. März 1993, in Washington[1]
Der Bundeskanzler bedankt sich für die Einladung und erklärt, trotz der Probleme, denen man sich in der internationalen Politik gegenübersehe, habe man Grund zu Optimismus.
Er sei stets ein Vorkämpfer enger deutsch-amerikanischer Beziehungen gewesen. Ein gutes deutsch-amerikanisches Verhältnis sei im Grunde genommen heute wichtiger als vor 40 Jahren, als die Umstände psychologisch einfacher gewesen seien. Damals hätten die Menschen in Deutschland unter der Teilung gelitten und Angst vor einem Krieg gehabt.
Aufgrund der dramatischen Veränderungen der letzten Jahre stelle sich bei den Menschen eine neue Angst sowie die Frage ein, ob "die da oben" die Lage noch in der Hand hätten.
Er sei dafür, den deutsch-amerikanischen Beziehungen eine neue Dimension zu geben. Das gelte zunächst für den sicherheitspolitischen Bereich. Es sei klar, daß die USA ihre Truppen in Europa reduzieren würden. Wichtig sei, daß die Zahl der verbleibenden Truppen glaubwürdig sei. Auch wir (müßten die Struktur der Bundeswehr reformieren. Gleichzeitig müßten wir unserer Verantwortung in den Vereinten Nationen gerecht werden und wollten das Grundgesetz entsprechend ändern.
Der Präsident habe sicher inzwischen von seinem jüngsten "Coup" im Zusammenhang mit AWACS gehört.
Ferner sei es wichtig, die Wirtschaftsbeziehungen in Gang zu halten und hier bitte er den Präsidenten um seine persönliche Unterstützung.
Ein weiteres wichtiges Anliegen für ihn sei die deutsch-amerikanische Akademie der Wissenschaften.
Ihm liege sehr an einer engen Zusammenarbeit mit dem Präsidenten. Wenn hieraus eine freundschaftliche Beziehung würde, würde ihn das sehr freuen.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen hätten tiefe Wurzeln, die auf die Zeiten des Marshall-Plans und auf die seinerzeitige Politik von Präsident Truman zurückgingen, der den Deutschen die Hand ausgestreckt hatte.
Präsident Clinton erklärt, er sei während seines Studiums in England häufiger nach Deutschland gefahren und habe seinerzeit fast fließend deutsch gesprochen. Auch erinnere er sich, daß Truman während seiner Kindheit die dominante Figur der amerikanischen Politik gewesen sei.
Der Bundeskanzler wirft ein, möglicherweise könne er zusammen mit dem während seines nächsten Besuchs das Haus von Präsident Truman in Lamar, Missouri, besuchen.
Der Bundeskanzler schlägt sodann vor, zunächst über Rußland zu sprechen. Im Rahmen des Delegationsgesprächs könne man dann vor allem Wirtschaftsthemen, aber auch die Entwicklung in Deutschland und der EG erörtern.
Präsident Clinton erklärt sich einverstanden.
Der Bundeskanzler fährt fort, sein Eindruck sei, daß Jelzin die Partie gewinnen werde. Er sei froh über das, was Präsident Clinton zu Rußland gesagt habe. Auf der gleichen Linie könne man auch gegenüber der Presse argumentieren.
Wenn der Westen Jelzin nicht helfe, habe dieser keine Chance. Wenn der Westen helfe, habe man eine Chance, auch wenn dies keine hundertprozentige Chance sei. Wenn Jelzin stürze, würden die Dinge viel schwieriger und in der Folge teurer, zumal es dann zu einem Rückfall in alte Strukturen käme.
Man dürfe nicht vergessen, daß Rußland nach wie vor militärisch stark sei und über ungeheure Mengen an konventionellen sowie an ABC-Waffen verfüge.
Er sei vor wenigen Tagen noch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Klaus und der polnischen Ministerpräsidentin Suchocka zusammengetroffen. Beide schauten mit großer Sorge auf Rußland.
Er, der Bundeskanzler, setze auf Präsidet Jelzin, auch wenn darin ein Risiko liege. Zwar habe Henry Kissinger noch vor wenigen Tagen vor einer solchen Politik gewarnt; aber Kissinger ließe sich hierbei offenbar von den Vorstellungen eines Metternich leiten, über den er als Historiker gearbeitet habe.
Natürlich wisse man nicht, ob Jelzin mit seiner Politik Erfolg habe. Aber selbst dann, wenn es schief gehe, könnten wir sagen, daß wir es versucht hätten.
Nicht alles, was man für Rußland tun könne, müsse unbedingt viel Geld kosten. Er frage sich beispielsweise, ob es nicht möglich sei, daß 30 Universitäten in den USA, in Großbritannien, Frankreich und Deutschland eine Patenschaft für entsprechend viele Universitäten in Rußland übernehmen könnten. Damit sei man in der Lage, in 30 Städten in Rußland eine Botschaft zu verbreiten.
Die Russen seien ein stolzes Volk. Auch die nichtkommunistischen Kräfte hätten sich als Mitglieder einer Weltmacht gefühlt. Man dürfe den Russen daher nicht das Gefühl geben, daß man auf sie keine Rücksicht mehr zu nehmen brauche.
Er könne daher nur nachdrücklich unterstützen, was der Präsident in den letzten Tagen erklärt hat. Was der Präsident tue, habe große Wirkung.
Was die Ausarbeitung eines Hilfsprogramms angehe, sollten die zuständigen Mitarbeiter sich zusammensetzen, wobei dies keine einfache Arbeit sei.
(Er wolle allerdings klarstellen, daß die deutsche Seite mit ihren Leistungen an der Obergrenze angelangt sei. Bekanntlich hätten wir 53% der Gesamthilfe an die GUS geleistet.
Trotzdem müsse man etwas tun. Senator Nunn habe in dem Gespräch heute morgen vorgeschlagen, daß man den NATO-Strukturfonds möglicherweise dazu nutzen könne, um Wohnungen für russische Offiziere zu bauen. Über diesen Vorschlag solle man nachdenken.
Er, der Bundeskanzler, trete nachdrücklich für eine multilaterale Kooperation in dieser Frage ein. Allerdings hätten eine Reihe von Ländern nicht viel getan. Er habe beispielsweise Miyazawa kürzlich in Tokyo deutlich gesagt, daß man mit der Formel "Geld gegen Inseln" nicht weiterkomme.
Präsident Clinton wirft ein, dies sei absolut richtig.
Der Bundeskanzler fährt fort, wir hätten bei der Herstellung der deutschen Einheit eine andere Strategie verfolgt. Gorbatschow sei 1988 wirtschaftlich am Ende gewesen. Er habe dann - gegen alle Einsprüche zu Hause - Gorbatschow unterstützt. Dies habe sich ausgezahlt - beispielsweise als Gorbatschow während der Öffnung der Mauer dem Drängen von Stasi und KGB widerstanden habe, die Panzer rollen zu lassen.
Präsident Clinton erklärt, die Japaner hätten in den letzten Tagen etwas Bewegung gezeigt. Er stehe mit der japanischen Regierung in engem Kontakt.
Der Bundeskanzler unterstützt dies nachdrücklich und erklärt, der Präsident brauche nur VP Gore nach dem zu fragen, was die Japaner seinerzeit auf der Konferenz in Rio alles versprochen hätten.
Präsident Clinton erklärt, der russische Außenminister Kosyrew sei letzte Woche in Washington gewesen und habe vorgetragen, was Rußland alles vom Westen haben wolle. Vor allem gehe es K. um Berater, von denen er allerdings erwarte, daß sie ständig vor Ort seien. Auch lege die russische Seite Wert darauf, daß diese Beratertätigkeit auf die technische Seite beschränkt bleibe und nicht zu einer Einmischung in die Politik führe.
Er werde mit Jelzin bald in Vancouver zusammentreffen und beabsichtige, nach dem Treffen bekanntzugeben, was die USA bilateral zu seiner Unterstützung tun würden. Er frage sich, ob nicht auch andere G7-Partner zu gleicher Zeit entsprechende bilaterale Schritte ankündigen könnten. Hierüber habe er bereits mit Mitterrand, Mulroney und Major gesprochen.
Unabhängig davon könnten die Außen- und Finanzminister am 14./15. April -d.h. zehn Tage vor dem Referendum - etwas machen.
Aus seiner Sicht wäre die Wirkung aber größer, wenn die G7-Chefs schon vorher etwas ankündigen könnten. Natürlich gebe es schwierige Probleme, wie etwa die Schuldenfrage oder das Programm des IWF. Aus seiner Sicht sei es vor allem wichtig, daß man etwas tue, das unmittelbar der Bevölkerung zugutekomme.
Der Bundeskanzler erwidert, er sei überzeugt, daß man etwas hinkriegen könne. Er werde StS Köhler, der in Washington sei, beauftragen, dies in seinen Gesprächen weiterzuverfolgen.
Im übrigen schlage er dem Präsidenten vor, in dieser Frage engen Kontakt - auch über das Telefon - zu halten.
Für ihn sei wichtig, daß der Präsident in der Frage der Hilfe für Rußland die Führung habe. Dies werde nicht nur in Rußland Eindruck machen, sondern auch in Mitteleuropa, etwa in Polen und der Tschechischen Republik.
Es sei wichtig, daß dort der Eindruck herrsche, daß die Amerikaner sich um Europa kümmerten.
Präsident Clinton erklärt, er treffe sich heute abend mit einigen Senatoren zu einem Essen. Auch den Senatoren sei bewußt, daß es hinsichtlich der Unterstützung Jelzins Risiken gebe, sie wüßten aber zugleich, daß es keine Alternative gebe.
Es sei daher wichtig, den Versuch zu wagen, auch wenn er scheitere. Selbst wenn Jelzin nicht überlebe, werde man die Chance haben, die Tür offen zu halten.
Der Bundeskanzler stimmt zu und ergänzt, selbst wenn es schief gehe, werde derjenige, der nach Jelzin komme, sich auch überlegen müssen, wie man mit den USA, Deutschland und anderen westlichen Staaten zusammenarbeiten könne. Dies habe er auch Präsident Mitterrand gesagt, der noch skeptisch sei. Er freue sich sehr darüber, daß man in dieser Grundsatzfrage übereinstimme und schlage vor, dies auch vor der Presse deutlich zu machen.
Präsident Clinton erklärt, es sei zudem wichtig, deutlich zu machen, daß man Jelzin nicht als Person unterstütze, sondern als Vertreter der demokratischen Kräfte.
(Dr. Hartmann)
[1] BArch, B 136/59731, 111-116.
Head of Department 2 Bonn, 29 March 1993
M e m o r a n d u m
Subject: The Chancellor's Meeting with U.S. President Clinton on Friday, 26 March 1993 in Washington[1]
The Chancellor expresses his thanks for the invitation and says that there was reason for optimism despite the problems that one was facing in international affairs. He had always been a pioneer for good German-American relations. Basically, a good German-American relationship was more important today as it had been 40 years ago when circumstances had been easier from a psychological vantage point. Back at the time, people in Germany had suffered from the division and they had had fear of war. Against the backdrop of the dramatic changes in the last few years, people had new fears and were asking themselves whether those at the top were still in control of things. He wanted to give German-American relations a new dimension. First of all, this applied to the security realm. The U.S. would certainly reduce the number of their troops in Europe. It was important that the remaining number of troops was credible. We also had to reform the structure of the Bundeswehr. At the same time, we had to live up to our commitments in the United Nations and were ready to adapt our constitution accordingly. The President had certainly heard about his recent "coup" with regards to AWACS. Further, it was important to keep the economic relationship going, and he would like to ask the President for his support in this respect.
A further plea pertained to the establishment of the German-American academy of sciences. He was very eager to work closely with the President. He would be very glad if their cooperation turned into friendship. German-American relations had deep roots going back to the times of the Marshall-Plan and to President Truman’s policy who had reached out a hand to the Germans.
President Clinton notes that he had been in Germany several times during his time as a student and back at the time, he had spoken almost fluent German. He also recollected that Truman had been the dominating political figure in U.S. politics during his childhood.
The Chancellor inserts that they could perhaps visit President Truman’s house in Lamar on the occasion of his next visit. The Chancellor then suggests to discuss Russia initially. During the delegation meeting, one could then turn to economic issues as well as the situation in Germany and in the EC.
President Clinton says he agrees.
The Chancellor continues and says his impression was that Yeltsin would win the game. He was glad about the things that President Clinton had said on Russia. He could use the same line towards the press. If the West did not help Yeltsin now, he would not have any chance. If the West helped, one would have a chance even this this was not a hundred per cent chance. If Yeltsin was fell, things would turn much more difficult and expensive, especially as there would be a relapse into the old structures.
One must not forget that Russia was still strong in military terms and had enormous amounts of conventional and ABC weapons at its disposal. Only a few days ago, he had met Czech Prime Minister Klaus and Polish Prime Minister Suchocka. Both viewed Russia with great concern. He, the Chancellor, counted on Yeltsin even if this entailed a risk despite the fact that Henry Kissinger had warned about such a policy a few days ago. However, Kissinger’s thinking was apparently guided by the ideas of Metternich whom he had studied as a historian.
One certainly did not know whether Yeltsin’s approach would reap success. But even if it did not go well, we could say that we had even tried. Our support for Russia did not necessarily cost of a lot money. He wondered if it was not possible for 30 universities in the U.S., in Great Britain, France and Germany to establish partnerships with relevant universities in Russia. This would enable us to send out a message in 30 Russian cities.
The Russians were a proud people. The non-communist forces had also felt as being members of a global power. One must not give the Russians the feeling that it was no longer necessary to show consideration of their interests. Thus, he fully endorsed the statements that the President had made in the previous days. The President’s deeds had great impact. As far as the elaboration of an assistance program was concerned, the relevant coworkers ought to consult albeit this was not an easy job. It was important to clarify for him that the German side had reached the limit in its efforts. As was well known, we had provided 53 % of the entire assistance for the CIS.
Nevertheless, one had to do something. This morning, Senator Nunn had proposed that one could perhaps use NATO’s structure fund in order to build housing for Russian military officers. One had to review this proposal. He, the Chancellor, was strongly in favor of a multilateral approach in this issue area. However, several countries had not done much. For instance, most recently, had had told Miyazawa in Tokyo that the formula "money in return for island" was not very helpful at all.
President Clinton inserts that this was absolutely right.
The Chancellor says that we had pursued a different strategy during the process of Germany’s unification. In 1988, Gorbachev had been running on empty economically. Against domestic opposition, he had supported Gorbachev. This had paid off, for instance when Gorbachev resisted the pressure from the Stasi and the KGB to let the tanks role when the Berlin Wall fell.
President Clinton says that the Japanese had shown some movement in the last few days. He was in close touch with the Japanese government.
The Chancellor firmly supports this and says that the President just needs to ask Vice President Gore and query him about Japan’s bold pledges at the Rio Conference [in 1992].
President Clinton says that Russian Foreign Minister Kozyrev had been in Washington last week presenting a list of things that Russia expected from the West. It was primarily about advisers from whom Kozyrev expected that they would be on site on a permanent basis. The Russians also put emphasis on the fact that these advisers ought to limit their activities on the technical side. They must not interfere in Russia’s internal affairs. He would soon meet Yeltsin in Vancouver. Thereafter, he would announce new bilateral assistance programs. He wonders if other G-7 countries could perhaps announce similar steps in bilateral assistance at the same time. He had already discussed this with Mitterrand, Mulroney and Major.
Notwithstanding the above, the Foreign and Finance Minister could to something on 14 and 15 April ten days prior to the referendum. From his perspective, the effect would be larger if the G-7 head of states were able to announces something in advance. There were certainly difficult problems such as the debt question and the IMF program. From his perspective, it was important to do something which would directly benefit the Russian people.
The Chancellor replies that he was convinced that we would manage this well. He would authorize Undersecretary of State Köhler to pursue this in his current talks in Washington. By the way, his suggestion for the President was to stay in close touch and also to call each other. For him, it was important that the President had the leadership position in the field assistance for Russia. This would have positive effects not just in Russia, but also in Central and Eastern Europe, especially in Poland and the Czech Republic. It was important for the people in the region to see that the United States did care about Europe.
President Clinton says that he would see a few senators for dinner tonight. These senators also knew about the risks of supporting Yeltsin. At the same time, they knew equally well that that there was no alternative. Hence, it was important to give it a try even if it did not work out. Even if Yeltsin did not survive, one would have a chance to keep the door open.
The Chancellor agrees and adds that even if it did not work out, Yeltsin’s successors also ought to have a plan for cooperation with the USA, Germany and other Western states. President Mitterrand had also brought this up despite he was still pessimistic. He was very glad that one was on the same page with regards to this fundamental question. His suggestion was to emphasize this before the press.
President Clinton says it was also essential to reiterate that one did not support Yeltsin as a person but as the representative of democratic forces.
(Dr. Hartmann)
[1] BArch, B 136/59731, 111-116.
During their first meeting, Kohl and Clinton examine the relevance of their joint support for Yeltsin and the need for more international financial aid for Russia agains the backdrop of the forthcoming Clinton-Yeltsin meeting in Vancouver in early April. Moreover, Kohl and Clinton discuss the relevance of intensified U.S.-German ties in the fields of culture, education and trade after the end of the Cold War.
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