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December 3, 1991

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Telephone Conversation with President Mikhail Gorbachev, Tuesday, 3 December 1991, 14:05 – 14:15 Hours

Abteilungsleiter 2                                                                                                            

Bonn, den 3. Dezember 1991

V e r m e r k

Betr.: Telefongespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Michail S. Gorbatschow[1] 

Der Bundeskanzler begrüßt Präsident Gorbatschow (G.) herzlich, dieser erwidert die Größe und erkundigt sich nach dem Ergehen von Peter Kohl.

Der Bundeskanzler schildert die gut verlaufene Genesung. Er fragt sodann nach der weiteren Entwicklung in der Sowjetunion.

G. betont, vor ihm lägen jetzt entscheidende Tage und Wochen, in denen es um die Neubildung der Union und um Reformfortschritte gehe. Höchste Priorität genieße dabei die Staatsbildung (gemeint wohl: Erhaltung der Union als Staat). Er - G. - erinnere an das letzte Gespräch mit dem Bundeskanzler in Kiew. Mit der Lösung dieser Frage stehe und falle alles, was er betreibe. Werde sie nicht bald im positiven Sinne gelöst, drohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Desintegration.

Offen gesagt - so G. - seien die Dinge bisher noch in vernünftigen Bahnen gehalten worden. Wenn man aber weitere ein bis zwei Monate verliere, werde es ernsthafte Probleme hinsichtlich der Verwirklichung der Reformen geben - dann sei alles in Frage gestellt.

G. berichtet sodann, daß zur Zeit unter Vorsitz von Silajew eine Runde der Ministerpräsidenten der "souveränen Staaten" tage, um - auf der Grund-lage des russischen Reformprogramms - die weiteren Schritte in der Wirtschaftsreform abzustimmen. Im Staatsrat sei beschlossen worden, daß dieses Gremium solange zusammenbleibe, bis ein Reformprogramm fertig sei.

Er - G. - wolle durch dieses Gremium erreichen, daß einige gefährliche Punkte im Jelzin-Programm entschärft würden. So habe Jelzin noch nicht begriffen, wie wichtig die Zusammenarbeit der Republiken untereinander sei - er habe sich vielmehr zum Teil über deren Belange hinweggesetzt.

Vor allem könne man nicht glauben, daß das Reformwerk mit der Preisfreigabe bereits erledigt sei - vielmehr müsse man die Produktion stimulieren, die bäuerliche Bevölkerung zufriedenstellen, den Arbeitern in den Betrieben Anreize bieten, das Steuersystem stabilisieren und das gesamt-wirtschaftliche Gleichgewicht erhalten.

Von kürzlichen Reisen nach Sibirien und Kirgisien habe er den starken Eindruck mitgebracht, daß die Leute erwarteten, daß jetzt entschieden werde - und zwar sowohl zur Ankurbelung der Produktion als auch zum Schutz der sozial Schwachen.

Neben der Diskussion über Produktion, Marktwirtschaft usw. - so G. weiter - fragten die Leute vor allem, was aus der Union werde.

Am Vorabend des Referendums in der Ukraine habe es seitens des Weißen Hauses in Washington eine Indiskretion gegeben, wonach das Referendum über die Frage der Abtrennung der Ukraine von der Union stattfinde. Er - G. - sei daraufhin mit Briefen und Anrufen bestürmt worden, durch Präsidentendekrete das Referendum zu verbieten.

Die Leute hätten Angst vor dem Zerfall der Union - es gebe sogar eine noch größere Mehrheit für den Erhalt der Union als beim seinerzeitigen Referendum an 17. Juni.

Der Entwurf des Unionsvertrages liege jetzt den Parlamenten der einzelnen Republiken vor, und er - G. - habe gerade heute einen Appell an alle Parlamentarier gerichtet, diesen Entwurf sofort auf die Tagesordnung zu setzen und ihm zuzustimmen. Aber da der Bundeskanzler inzwischen mit G.'s nächsten Nachbarn" (gemeint Jelzin) Kontakt gehabt habe, werde er verstehen, daß in diesem Zusammenhang noch große Arbeit zu leisten sei.

Wichtig sei vor allem, Schwankungen Jelzins zu verhindern.

Er - so G. weiter - habe auch ausführlich mit Krawtschuk gesprochen, und dieser habe ihm zugesichert, man könne hinsichtlich der künftigen Zusammenarbeit auf ihn rechnen. Dieses Thema sei jetzt das hauptsächliche, das ihn - G. - beschäftige.

Hinsichtlich der Versorgungslage stehe es in den Städten Moskau, Leningrad (sic!), Tscheljabinsk und Swerdlowsk ziemlich schlecht, in anderen größeren Städten gehe es besser, nicht zuletzt dank der deutschen Hilfe. Insgesamt müsse unbedingt vermieden werden, daß die Leute auf die Straße gingen.

Der Bundeskanzler fragt, wie G. die Lage in der Ukraine einschätze.

G. erwidert, daß Referendum habe nicht der Frage nach dem Austritt gegolten, sondern nur nach der Unabhängigkeit, so wie dies die anderen Republiken auch schon vor längerer Zeit erklärt hätten. Allerdings seien dort die Fragen nicht so formuliert worden, daß jetzt von einigen interessierten Leuten die Dinge so ausgelegt wenden könnten, als sei über die Trennung von der Union entschieden. Auch Krawtschuk habe sich in diese Kampagne hineinziehen lassen.

Hierzu müsse er - G. - mit aller Offenheit feststellen, daß, wenn die Dinge ausuferten und die Trennung endgültig werde, eine noch schlimmere Situation entstehe als heute in Kroatien! Deshalb sei jetzt seine wichtigste Aufgabe, diesen Prozeß zu kontrollieren und in geordnete Bahnen zu leiten, insbesondere die Ukraine in Sachen Unionsreform an den Tisch zu bekommen. Er werde deshalb Krawtschuk, wenn das endgültige Ergebnis des Referendums vorliege, eine Grußbotschaft an den Obersten Sowjet der Ukraine übermitteln, in dem er zugleich die Ukraine "zum großen Reformwerk an der Union" einladen werde.

In dieser Frage habe er - G. - ein hartes Telefongespräch mit Präsident Bush gehabt - er habe ihn ausdrücklich gebeten, sich in der Frage der Anerkennung der Ukraine nicht zu übereilen.

Der Bundeskanzler wirft ein, da, würden wir auch unsererseits nicht tun.

G. dankt - diese Erklärung sei sehr wichtig, denn man müsse unbedingt eine Zwickmühle vermeiden. Er wolle einen vernünftigen Prozeß der Zusammenarbeit mit Deutschland fortsetzen, die die Ukraine einbeziehe.

Der Bundeskanzler und G. vereinbaren, in der nächsten Woche wieder zu telefonieren.

G. hofft auf weitere gute Zusammenarbeit, insbesondere in der Perspektive des deutschen G-7-Vorsitzes.

Das Telefongespräch endet mit dem Austausch persönlicher Grüße, auch an die Ehefrauen.

(Dr. Kaestner)

 

[1] BArch, B 136/59747, 44-46.

Head of Department 2                                                                                                  

Bonn, 3 December 1991

V e r m e r k

Subject: The Chancellor’s Telephone Conversation with President Mikhail Gorbachev, Tuesday, 3 December 1991, 14:05 – 14:15 Hours [1] 

The Chancellor cordially greets President Gorbachev (G.), the latter returned the greetings and asked about Peter Kohl’s well-being.

The Chancellor says the recovery was going well. Thereafter, he asks about further developments in the Soviet Union.

G. emphasizes that decisive days and weeks were laying ahead of him. This was about the new formation of the union and further reform steps. The formation of a new state had the highest priority (this means: maintaining the union as a state). He, G., recollected the last meeting with the Chancellor in Kiev. The solution of this question was decisive for the fate of what he was doing. If it was not resolved in a positive way, there would be a danger of societal and economic disintegration.

Frankly, as G. says, things could be kept on the rails so far. But if one lost one or two more months, there would be serious problems with regards to the implementation of reforms – everything would be in jeopardy.

G. then reports on the state of a current meeting of the prime ministers of the "sovereign states" under the chairmanship of Silaev to discuss further steps on Russia’s reform program. The State Council had made the decision that this committee would operate as long as it needed to adopt a reform program.

He, G., wanted to use the committee to mitigate a variety of dangerous points in Yeltsin’s program. So far, Yeltsin had not yet understood the importance of solidarity among the republics. Rather, he had partially overrode their interests.

First of all, one must not think that the reform agenda was concluded with the liberalization of prices. Rather, one ought to stimulate production, satisfy farmers, provide incentives for the employees in the industrial sector, and stabilize the tax system to stabilize the entire the economic balance.

His recent travels to Siberia and Kyrgyzstan made him acknowledge that people expected rapid decisions in favor of stimulating the production and to protect the weak. Beyond economic discussion on production and market economy, people especially wondered about the fate of the union.  

On the eve of the referendum in Ukraine, there was an indiscretion from the White House in Washington after which the referendum on Ukraine’s separation from the union took place. Thereupon, he, G., was flooded with letters and calls to prohibit the referendum through a Presidential decree. People were afraid from the union’s disintegration. There was a larger majority for the maintenance of the union compared to the referendum on 17 June.  

The draft of the union treaty was ready for the signature of the parliaments in the republics. He, G., had just appealed to the deputies in all parliaments to put its ratification on the agenda instantly and to agree to it. As the Chancellor recently had contact with G.’s "closest neighbor" (Yeltsin), he would certainly understand that there was still plenty of work to be done. It was particularly important to avoid Yeltsin’s oscillations.

He, G., had discussed things extensively with Kravchuk, and the latter had assured him that one could rely on him with regards to future cooperation. This issue was his main concern, G. says.

With regards to the supply situation, things were pretty bad in the cities of Moscow, Leningrad, Chelyabinsk, and Sverdlovsk. The situation in other large cities was much better, not least due to German assistance. In general, we had to prevent people from taking to the streets.

The Chancellor queries about G.‘s assessment of the situation in Ukraine.

G. replies that the referendum had not been about the question of Ukraine’s exit but just about the question of independence, as had been the case in a variety of other republics. However, the question had been formulated such that some people could also interpret it in a way to argue that it was about separation from the union. Kravchuk had been sucked into this campaign as well.

With regards to this point, G. frankly said that if things were getting out of hand and the separation would become irreversible, we would be faced with a situation that would be worse than the current situation in Croatia! The most important task was to control the process and to get it back on track, and to get Ukraine back to the table with regards to the reform of the union. Thus, he would transmit a message from the Supreme Soviet to Kravchuk inviting Ukraine to participate in the "union’s great reform work.”

With regards to this question, he, G., had a tough telephone conversation with President Bush. He had explicitly asked him not to hurry with respect to Ukraine’s recognition.

The Chancellor inserts that we ourselves would not do this either.

G. thanks the Chancellor. This statement was very important. One had to absolutely avoid a dilemma. He wanted to continue the rational process of cooperation with Germany and to include Ukraine as well.

The Chancellor and G. agree to call each other again next week.

G. hoped for further good cooperation, particularly with the perspective of the German G-7 presidency.

The telephone conversation concluded with personal greetings to the wives.

(Dr. Kaestner)

 

[1] BArch, B 136/59747, 44-46.

Kohl and Gorbachev talk about Ukraine's desire for independence and its ramifications. They also examine Gorbachev's ideas for further reforms in the Soviet Union.


Document Information

Source

BArch, B 136/59747, 44-46. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-05-15

Type

Telephone Conversation

Language

Record ID

300154