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March 23, 1992

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Telephone Conversation with the President of the Russian Federation, Boris N. Yeltsin, Monday, 23 March 1992, 9:27 – 9:50 Hours

Gruppenleiter 21                                                                                                              Bonn, den 23. März 1992

V e r m e r k

Betr.: Telefongespräch des Herrn Bundeskanzler mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Boris N. Jelzin Montag, 23. März 1992, 9.27 - 9.50 Uhr[1]

Nach freundschaftlicher Begrüßung erkundigt sich der Bundeskanzler, wie es Präsident Jelzin gehe und wie die Dinge in Rußland stünden.

Präsident Jelzin antwortet scherzhaft mit einem russischen Sprichwort: Es gehe mal schlecht, mal sehr schlecht.

Das Treffen der Staatschefs der GUS-Staaten in Kiew sei - entgegen dem in der Presse erweckten Eindruck - das erfolgreichste der bisherigen sechs Treffen dieser Art gewesen. Man habe eine Rechtsgrundlage für vereinte Streitkräfte geschaffen und auch alle anderen Abkommen, die die Armee beträfen, unter Dach und Fach. Er - Jelzin - hoffe aufgrund dieses Ergebnisses, daß die GUS sich weiter festigen und vorankommen werde.

Parallelgespräche habe er mit den Präsidenten Krawtschuk/Ukraine und Nasarbajew/Kasachstan geführt. Dabei habe Krawtschuk ihm hinsichtlich der taktischen Raketen (sic) bestätigt, daß die Ukraine diese bis zum 1. Juli an Rußland übergeben werde, aber an der Kontrolle ihrer Vernichtung beteiligt sein wolle. Anderslautende Pressemeldungen seien - so Krawtschuk ihm gegenüber - falsch.

Hinsichtlich der Wirtschaftsreformen - so Jelzin weiter - laufe alles nach den Zeitplänen, die man sich vorgenommen habe. Mit den Maßnahmenkatalogen, die man den Experten des IWF übermittelt habe, seien diese vollkommen zufrieden.

Im April werde man nunmehr die restlichen Preise freigeben, darunter für Treib- und Brennstoffe und andere Rohstoffe

Was die Stimmung in der Bevölkerung angehe, so erdulde das Volk die Maßnahmen, wenn auch nur mit Mühe. Größere Streiks seien ausgeblieben, bei lokalen Streiks hätten sich einige Hunderte, im Höchstfall 2000 - 3000 Menschen beteiligt.

Präsident Jelzin drückt sodann seine Zufriedenheit über den Erfolg des russisch-deutschen Weltraumfluges aus und regt an, über gemeinsame Weltraumforschung - über das bestehende Abkommen hinausgehend - einen Regierungsvertrag abzuschließen.

Hinsichtlich des Wirtschaftsgipfels München richte er sich an den Bundeskanzler als Koordinator des Treffens mit der Erwartung, daß er eingeladen werde, wobei der Bundeskanzler die Frage, ob am Anfang oder am Ende, mit den übrigen Gipfelpartnern entscheiden möge.

Der Bundeskanzler antwortet zunächst mit prinzipiellen Bemerkungen:

Für ihn sei es wichtig, daß zwischen Deutschland und Rußland sich möglichst enge und freundschaftliche Beziehungen entwickelten. Rußland sei ein großes, wichtiges, bedeutendes Land, das im Rahmen der Republiken der ehemaligen SU die entscheidende Rolle spiele.

Was für beide Länder gelte, solle auch zwischen ihm und dem Präsidenten so sein: möglichst enge, freundschaftliche Beziehungen. Er - der Bundeskanzler - würde es deshalb sehr begrüßen, wenn man - ungeachtet der normalen Entwicklung der Beziehungen - in regelmäßigen Abständen, etwa alle drei Wochen, miteinander telefonieren könnte; sollte etwas Wichtiges vorfallen, möge man sofort zum Telefonhörer greifen.

Zu den von Präsident Jelzin angesprochenen Themen führt der Bundeskanzler aus:

- Er begrüße, daß auf dem GUS-Treffen in Kiew bedeutsame Fortschritte erzielt worden sind.

- Insbesondere die Regelung der zukünftigen Streitkräfte sei für alle von größter Bedeutung, da dies auch Konsequenzen für die notwendigen Entscheidungen hinsichtlich des KSE- und des START-Vertrages habe.

- Er hoffe sehr, daß die Wirtschaftsreformen in der Russischen Föderation in der vom Präsidenten gewünschten Richtung vorankämen.

- Hinsichtlich des Wirtschaftsgipfels München werde man mit Sicherholt eine Einigung finden. Er habe soeben mit Präsident Bush in Camp David über die Thematik gesprochen - sie seien beide einig, daß Präsident Jelzin am Gipfel teilnehmen sollte.

Er - der Bundeskanzler - werde nunmehr mit den anderen Gipfelpartnern reden. Er bitte Präsident Jelzin jedoch, diese Frage zunächst nicht in der Öffentlichkeit zu behandeln.

Der Bundeskanzler betont sodann erneut, daß er großen Wert auf enge, freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Präsidenten lege. Er sei nachdrücklich an seinem Erfolg interessiert, denn dies sei für alle von größter Bedeutung, für die Sicherung des Friedens und die Wahrung der Stabilität.

Präsident Jelzin dankt für diese ermutigenden Worte und erklärt sich mit dem vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Prozedere zum Wirtschaftsgipfel München einverstanden.

Sodann lenkt er die Aufmerksamkeit des Bundeskanzlers auf die vom Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Jacques Attali ergriffene Initiative: Kopplung der Vernichtung von nuklearen Raketen und anderer Nuklearwaffen mit einer Reduzierung der russischen Auslandsschuld. Dadurch werde - zusätzlich zur menschlichen und politischen Verpflichtung - ein wirtschaftlicher Zwang geschaffen, diese Waffen so schnell wie möglich zu beseitigen.

Er selbst - Jelzin - habe vor kurzem im Forschungszentrum Asana 16 mit Wissenschaftlern über Verfahren zur schnellstmöglichen Beseitigung der Nuklearwaffen der ehemaligen Sowjetunion gesprochen.

Hinsichtlich der Wolga-Deutschen - so Präsident Jelzin weiter - werde er in der Presse kritisiert, weil er angeblich seine Position geändert habe. Er wolle dem Bundeskanzler von Mann zu Mann sagen: Dies treffe nicht zu. Selbstverständlich werde es zu einer Autonomie kommen, er habe kürzlich ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Er bitte jedoch den Bundeskanzler um Verständnis, daß - nachdem dieses Problem nun schon 50 Jahre einer Lösung harre - man noch etwas Zeit brauche, etwa ein halbes oder ein ganzes Jahr.

Auch der Frage nach dem Verbleib Erich Honeckers wolle er nicht ausweichen: Honecker befinde sich noch in der chilenischen Botschaft, und von russischer Seite kontrolliere man die Sache, wie er dem Bundeskanzler bereits versprochen habe, sehr genau.

Honecker habe ihn bereits viermal brieflich gebeten, ihm die Ausreise nach Chile oder in ein anderes Land zu ermöglichen.

Er - Jelzin - sei gegen diese Lösung. Vielmehr werde die Frage nur gelöst werden, wenn man Honecker überzeuge, daß er doch nach Deutschland reise. Wenn die chilenische Botschaft ihn an die russische Seite übergebe, dann werde man ihn auf unmittelbarem Wege mit einer Sondermaschine nach Deutschland ausfliegen. Auf russischem Territorium werde er jedenfalls nicht leben können.

Er - Jelzin - glaube, man solle aktiver mit der chilenischen Führung sprechen, vielleicht auch der Bundeskanzler.

Der Bundeskanzler wirft ein, er stehe mit der chilenischen Regierung in intensivem Kontakt. Er habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß es absolut zwingend sei, daß Honecker die Botschaft verlasse und es dann auch - im Sinn dessen, was Präsident Jelzin gesagt habe - zu seiner Über-stellung nach Deutschland komme. Es sei absolut garantiert, daß hier ein fairer Prozeß gegen ihn geführt werde. Auf dieser prinzipiellen Position müsse er bestehen.

Präsident Jelzin ist einverstanden und verspricht dem Bundeskanzler persönlich, daß, sobald Honecker die chilenische Botschaft verlasse, er innerhalb von 1 - 2 Stunden mit Sonderflugzeug nach Deutschlandgebracht werde.

Der Bundeskanzler dankt für diese Zusage.

Präsident Jelzin spricht sodann sein Schreiben an den Bundeskanzler vom 3. d.M. in Sachen Bernsteinzimmer an und fragt, ob der Bundeskanzler sich mit der Angelegenheit vertraut gemacht habe.

Der Bundeskanzler bestätigt dies - die Sache werde zur Zeit geprüft,

Präsident Jelzin erklärt abschließend sein Einverständnis, in Zukunft häufiger mit dem Bundeskanzler zu telefonieren, um Informationen auszutauschen und sich über schwierige Probleme zu beraten.

Der Bundeskanzler schlägt vor, daß noch vor Ostern ein weiteres Telefongespräch stattfindet. Präsident Jelzin ist einverstanden. Freundschaftliche Verabschiedung, gute Wünsche.

(Dr. Kaestner)

 

 

[1] BArch, B 136/59730, 60-64.

[Editor’s note: This document was also published, in the German original, in Andreas Wirsching, Hélène Miard-Delacroix, and Gregor Schöllgen, eds., Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1992 (Berlin; Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2023),  https://doi.org/10.1515/9783110985986.]

Head of Division 21                                                                                                                         Bonn, 23 March 1992

 

M e m o r a n d u m

 

Subject: The Chancellor's Telephone Conversation with the President of the Russian Federation, Boris N. Yeltsin, Monday, 23 March 1992, 9:27 – 9:50 Hours[1]

 

After friendly greeting, the Chancellor inquires about President Yeltsin’s wellbeing and the state of things in Russia.

President Yeltsin jokingly replies with a Russian proverb: It was either bad or very bad.

The meeting of the heads of states from the CIS states in Kiev had been the most successful of the six meetings so far – despite the impressions raised by the press. They had managed to establish a legal basis for the joint forces and had concluded all other accords pertaining to the army. He – Yeltsin – hoped that the CIS would solidify further based on these results.

In parallel, he had had talks with Presidents Kravchuk/Ukraine and Nazarbayev/Kazakhstan. Kravchuk had confirmed that Ukraine would transfer the tactical nuclear missiles by 1 July, but Ukraine wanted to participate in the control of their elimination. Other press statements were – as Kravchuk had told him – incorrect.

Regarding the economic reforms, everything was proceeding according to the envisaged schedule. The IMF was pleased with the package of measure that had been submitted.

In April, they would release the remaining prices, among them prices for fuels and other raw materials.

Regarding the mood of the population, people endured the measures, albeit with plenty of pains. There had been no larger strikes, and a maximum of roughly 2,000 – 3,000 people had been involved in local strikes.

President Yeltsin then expresses his pleasure with the success of the joint German-Russian space flight. He proposed the conclusion of an intergovernmental treaty on joint space research going beyond the current accord.

Regarding the World Economic Summit in Munich, he said that his expectation was that he would be invited by the Chancellor as the host of the meeting. In accordance with the other participants, the Chancellor should decide whether he would join in at the start or at the end of the meeting.

The Chancellor initially replies with some principal remarks:

It was important for him that German-Russian relations develop as closely and as friendly as possible. Russia was a large and important country with a decisive role in the framework of the CIS.

He wanted a relationship between the two countries and between the President and himself, which should be as close and as friendly as possible. Therefore, he – the Chancellor – would appreciate it if – beyond the routine contacts in bilateral relations – they could call each other every two or three weeks. If anything of urgency happened, he could pick up the phone instantly and call.

Regarding the issues that President Yeltsin raised:

- He appreciated the fact that progress had been made at the CIS meeting in Kiev.

- In particular, the regulations on future armed forces were of the greatest relevance as this had consequences for the necessary decision on the CFE and START Treaties.

- He very much hoped that the economic reforms in the Russian Federation would proceed in the direction that the President envisaged.

- Regarding the World Economic Summit in Munich, they would certainly be able to find a solution. He had just discussed the issue with President Bush at Camp David. Both had agreed that President Yeltsin should participate in the summit.

He – the Chancellor – would discuss this with the other summit partners. He asked President Yeltsin not to discuss this question in public for the time being.

Thereupon, the Chancellor again emphasized that he attached great importance to close and friendly relations with the President. He was explicitly interested in his success. This was of the greatest relevance for the maintenance of peace and stability.

President Yeltsin expresses his gratitude for these encouraging words and signals his consent to the procedure suggested by the Chancellor for the Munich World Economic Summit.

He then draws the Chancellor’s attention to the initiative brought up by the President of the European Bank for Reconstruction of Development, Jacques Attali: Linkage between the elimination of nuclear missiles and other nuclear weapons with a reduction of Russia’s foreign debts. Beyond human and political commitments, this would create economic pressures to eliminate these weapons as soon as possible.

He – Yeltsin – had recently met with scientists at the Asana 16 research center for a discussion about measures for the rapid elimination of nuclear weapons in the former Soviet Union.

Regarding the Volga Germans, President Yeltsin says that he was criticized in the press because he had allegedly changed his position. He wanted to tell the Chancellor, man-to man: This was not true. It goes without saying that there would be autonomy, he had recently signed a corresponding decree. However, he asked the chancellor for understanding and for some more time, perhaps half a year or a year, as this problem had been awaiting a solution for 50 years.

He did also not want to avoid the question about Erich Honecker’s stay: Honecker was still at the Chilean embassy. As he had promised the Chancellor, the Russian side controlled this matter very diligently.

Honecker had already asked him four times in writing for an approval of his emigration to Chile or to another country.

He – Yeltsin – was against this solution. Rather, the question would only be resolved if one could convince Honecker to travel to Germany. If the Chilean embassy transferred him to the Russian side, we would instantly fly him off to Germany on a special aircraft. In any case, he would not be able to live on Russian territory.

He – Yeltsin – believed that they should discuss this with the Chilean side even more actively, perhaps even the Chancellor ought to get involved.

The Chancellor inserts that he was in close touch with the Chilean government. He had unmistakably expressed that it was absolutely essential for Honecker to leave the embassy – he had to be transferred to Germany, like President Yeltsin had just described. It was absolutely guaranteed that he would have a fair trial. He had to insist on this principal position.

President Yeltsin agrees and gives the Chancellor his personal word that as soon as Honecker left the Chilean embassy, he would be transferred to Germany using a special aircraft within 1 - 2 hours.

The Chancellor expresses his gratitude for this pledge.

President Yeltsin then refers to his letter to the Chancellor dated the 3 of March regarding the Amber Room and asks the Chancellor whether he had had a chance to get acquainted with the issue.

The Chancellor affirms this – the issue was under consideration.

President Yeltsin expresses his agreement to call the Chancellor more frequently to exchange information and discuss difficult problems.

The Chancellor suggests having another telephone conversation prior to Easter.

President Yeltsin agrees.

Friendly goodbye, best wishes.

(Dr. Kaestner)

 

 

[1] BArch, B 136/59730, 60-64.

Kohl and Yeltsin debate Russia's economic reforms and the situation in the Commonwealth of Independent States as well as Western financial aid and preparations for the 1992 World Economic Summit in Munich and especially Russia's participation. Moreover, they review the prospects of Honecker's release from the Chilean embassy in Moscow.


Document Information

Source

BArch, B 136/59730, 60-64. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-05-24

Type

Telephone Conversation

Language

Record ID

300166