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June 22, 1992

Meeting of ChefBK, Federal Minster Bohl, with Chile’s Special Envoy Holger, Monday, 22 June 1992, 16:00-16:45 Hours

Referatsleiter 214 VLR I Dr. Ueberschaer                                                               Bonn, den 22. Juni 1992

V e r m e r k

Betr.: Beendigung des Aufenthalts Honeckers in der chilenischen Botschaft in Moskau; hier: Gespräch des Chefs des Bundeskanzleramtes, BM Bohl, mit dem chilenischen Sonderbotschafter Holger, am Montag, den 22.06.1992, 16.00 bis 16.45 Uhr[1]

Teilnehmer

auf deutscher Seite:

- ChefBK - MD Dr. Hartmann - VLR I Dr. Ueberschaer als note-taker

auf chilenischer Seite:

- Botschafter Holger - Botschafter Huneeus - ein chilenischer Mitarbeiter

Aus dem Gespräch ist folgendes festzuhalten:

Botschafter Holger berichtet zunächst eingehend über die Entstehungsgeschichte und den Ablauf seiner Mission in Moskau bis zu seiner Rückkehr nach Chile zur Berichterstattung. Er erläutert dabei den an Deutschland und Rußland gerichteten chilenischen Vorschlag vom 8. April d.J. für eine Lösung auf der Grundlage von Art. 13 des VN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Holger schildert sodann den jüngsten Wandel in der Haltung der chilenischen Regierung:

Da Deutschland und Rußland eine Anwendbarkeit von Art. 13 ablehnten, sei die chilenische Regierung bemüht, eine Konsenslösung auf einer anderen Grundlage herbeizuführen. Die inzwischen erfolgte Anklageerhebung gegen Honecker und die Tatsache, daß Deutschland ein Rechtsstaat sei, habe die chilenische Regierung im gemeinsamen Ziel bestärkt, Honecker vor ein deutsches Gericht gestellt zu sehen.

Dementsprechend habe Präsident Aylwin in einem Interview vom 7. Juni öffentlich erklärt: "Ob es Honecker gefällt oder nicht, an dem Tage, an wir ihm sagen: "Bis hierher und nicht weiter" - muß er gehen.“ Die Holger von Präsident Aylwin und AM Silva Cimma erteilte Instruktion beruhe auf dem "Vorschlag eines alternativen Verfahrens rechtlicher Grundlage“. Eine solche rechtliche Lösung entspreche einmal Aylwins Vorstellungen als Jurist; sie sei aber auch A.115 Innenpolitischen Gründen notwendig um eine "würdige" Übergabe Honeckers über die Russen an die Deutschen zu ermöglichen. Präsident Aylwin habe Holger gebeten, der Bundesregierung seine Vorstellungen hierüber nahezubringen: Die Überstellung solle sobald als möglich geschehen: Bis zur zweiten Julihälfte solle sichergestellt werden, daß Honecker die chilenische Botschaft in Moskau verlassen habe.

Nach chilenischer Vorstellung solle die Bundesregierung bei der russischen Regierung einen (erneuten) Antrag auf Rücküberstellung Honeckers stellen. Die russische Regierung müsse dann intern eine Behörde bestimmen, die zuständig sein solle, über diesen Antrag zu entscheiden. Die Entscheidung selbst solle in 3 bis 6 Tagen getroffen werden. Während dieser Zeit solle Honecker noch in der chilenischen Botschaft verbleiben um sicherzustellen, daß keine "Zwischenfälle einträten“. Sobald die Entscheidung der zuständigen russischen Behörde getroffen sei, solle die russische Regierung Chile hierüber unterrichten, Die chilenische Regierung werde dann ihrerseits Honecker mitteilen, daß sein Status als zeitweiliger Gast der chilenischen Botschaft beendet sei. Reagiere er hierauf nicht, werde die chilenische Regierung ihn zum 'illegalen Besetzer" erklären und die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sein Verlassen der Botschaft sicherzustellen. Präsident Aylwin erbitte von der Bundesregierung Hilfe und Unterstützung für diesen Plan.

Präsident Aylwin habe Botschafter Holger damit beauftragt, in diesem Sinne - solange erforderlich - in Bonn und Moskau zu verhandeln. Holger werde nach seinen Gesprächen in Bonn nach Moskau reisen um auch die russische Seite von diesem Plan zu unterrichten und um Honecker "die erforderlichen Garantien zu geben".

ChefBK dankte Holger für die Unterrichtung. Er sei vom Bundeskanzler über dessen Begegnung mit Aylwin unterrichtet und zu diesem Gespräch ermächtigt worden. Er werde die chilenischen Vorschläge mit dem Auswärtigen Amt und dem BMJ erörtern und Holger am Donnerstag, den 25. Juni von dem Ergebnis unterrichten. Er interpretiere den chilenischen Vorschlag so, daß Deutschland auch versuchen solle, Rußland gegen das die Bundesrepublik Deutschland einen Rücküberstellungsanspruch habe, zu einer Lösung im chilenischen Sinne zu bewegen.

Uns falle es sehr schwer, der russischen Regierung, die uns die Rücküberstellung Honeckers bereits zugesagt habe, zu erklären, daß sie über das Schicksal Honeckers erneut zu entscheiden habe. Die Bundesregierung sei zwar nicht die zuständige Strafverfolgungsbehörde; sie sei nichtsdestoweniger verpflichtet an der Ausführung des bestehenden Haftbefehls mitzuwirken, wenn sie sich nicht dem Vorwurf einer "Strafvereitelung im Amt" aussetzen wolle. Wir könnten daher keine Lösung akzeptieren, die eine Schmälerung unseres Strafverfolgungsanspruches ermöglichen würde. Dennoch sehe man in dem chilenischen Vorschlag eine Weiterentwicklung bisheriger Positionen, die man prüfen wolle.

Holger erklärte hierzu, daß der chilenischen Seite die Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und Präsident Jelzin bekannt sei, nach Rußland Deutschland eine direkte Zurücküberstellung Honeckers zugesichert habe. Chile sei aber aus innenpolitischen Gründen ein rechtlicher Zwischenschritt erforderlich, um so den erforderlichen politischen Spielraum zu erhalten, Honecker ggf. auch unter physischer Gewalt aus der Botschaft zu entfernen. Chile benötige dies als "juristische Feigenblatt". Ein deutsches Bestehen auf einer wörtlichen Durchführung der Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und Präsident Jelzin könne dazu führen, daß Chile die Herausgabe Honeckers verweigern müsse. Dies wolle man unter allen Umständen vermeiden.

Auf chilenischer Seite sei man sich der deutschen Schwierigkeiten bewußt und daher dankbar für die von ChefBK gezeigte Bereitschaft, den chilenischen Vorschlag zu prüfen.

ChefBK bittet alle Teilnehmer an dem Gespräch um absolute Diskretion: Nur die Tatsache seines Gesprächs mit Holger dürfe bekannt werden.

(Dr. Ueberschaer)

 

[1] BArch, B 136/59730, 309-312.

Head of Division 214 VLR I Dr. Ueberschaer                                                                          Bonn, 22 June 1992

 

M e m o r a n d u m

 

Subject: Ending Honecker’s Stay at the Chilean Embassy in Moscow; here: Meeting of ChefBK, Federal Minster Bohl, with Chile’s Special Envoy Holger, Monday, 22 June 1992, 16:00-16:45 Hours[1]

 

Participants on the German side:  

- ChefBK

- MD Dr. Hartmann

- VLR I Dr. Ueberschaer as note-taker

Participants on the Chilean side:

- Ambassador Holger

- Ambassador Huneeus

- a Chilean staffer

The following can be noted from the conversation:

- First, Ambassador Holger reports in detail about the origins and the proceedings of his mission in Moscow up until his return to Chile to report back. He discusses the Chilean proposal of 8 April 1992 that was directed toward Germany and Russia, envisioning a solution based on Article 13 on the UN Pact on Civilian and Political Rights.

- Holger then portrays the recent change in the Chilean position:

As Germany and Russia both rejected the applicability of Article 13, the Chilean government was determined to bring about a consensual solution on a different basis. Meanwhile, the Chilean government shared Germany’s goal to summon Honecker before a German court. Germany was a constitutional state and had already launched an indictment.

Thus, in a public interview on June 7, President Aylwin had declared that "whether he likes it or not, Honecker had to leave the day we tell him: ‘enough is enough.’”

- The instructions from President Aylwin and Foreign Minister Silva for Holger rested upon a "proposal for an alternative procedure on a legal basis." Such a legal solution aligned with President Aylwin‘s ideas as a lawyer, but from a domestic perspective, it was also necessary to ensure Honecker’s "dignified" transfer via the Russians to the Germans.

- President Aylwin had asked Holger to look into the details and to explain them to his German interlocutors.

The transfer should happen as soon as possible; Honecker should leave the Chilean embassy in Moscow by second half of July.

According to the Chilean position, the federal government had to submit a renewed request for Honecker’s transfer. The Russian government must then internally determine an agency authority to oversee the processing of the request. The decision itself should be made within 3 to 6 days. During this time, Honecker should remain in the Chilean embassy to ensure that there were no “incidents.” The Russian government should notify Chiles as soon as a decision has been made. The Chilean government would then notify Honecker that his status as a temporary guest of the Chilean embassy was terminated. If he did not react to this, the Chilean government would declare him as an 'illegal occupant," taking the necessary measures to ensure that he left the embassy. President Aylwin asked the federal government for its support and its endorsement of this plan.

- In this sense, President Aylwin had authorized Ambassador Holger to conduct negotiations in Bonn and Moscow as long as it was deemed necessary. After his talks in Bonn, Holger would travel to Moscow to inform the Russian side of the proposed scheme and to give Honecker "the necessary guarantees.”

- ChefBK thanks Holger for the briefing. The Chancellor had informed him about his meeting with President Aylwin and had authorized him accordingly.

He would discuss the Chilean proposals with the Foreign Office and the Ministry of Justice on Thursday, June 25.

His interpretation of the proposed scheme was that Germany should also convince Russia to come to consensus with the Chilean proposal.

It was not easy for us to approach Russia and to explain them that they had to decide on Honecker’s transfer once again, even though they had already agreed to it. The federal government was not the agency in charge of Honecker’s prosecution; it was nevertheless committed to contribute to the implementation of the existing arrest warrant. Otherwise, it would be exposed to the charge of "obstruction of law.” Thus, we could not accept any kind of a solution that could potentially reduce our claims for criminal prosecution.

Nevertheless, the Chilean proposal was seen as a further development of previous positions and was worth looking into.

- Ambassador Holger says that the Chilean side knew about the agreement between the Chancellor and President Yeltsin. Russia had promised Honecker’s direct transfer to Germany. However, for domestic reasons, the Chileans needed a legal intermediary step to create the necessary room for political maneuver in case Honecker had to be removed from the embassy with physical force. Chile needed this kind of a "legal fig leaf.” Any kind of German insistence on the literal implementation of the agreement between the Chancellor and President Yeltsin could lead to a situation in which it might be impossible for the Chilean side to return Honecker. They wanted to avoid this by all means possible.

The Chilean side understood the problems that the Germans had, and they were therefore grateful for the readiness to look into the new proposal.

ChefBK asks all participants for absolute confidentiality. Only the fact of our meeting with Holger could become known.

(Dr. Ueberschaer)

 

[1] BArch, B 136/59730, 309-312.

Bohl and Holger discuss ways to push for Honecker's release from the Chilean embassy in Moscow as soon as possible.


Document Information

Source

BArch, B 136/59730, 309-312. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-09-05

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300179