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February 26, 1996

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Meetings with President Yeltsin in Moscow (18 - 20 February 1996) here: Chancellor’s Conversation with President Yeltsin on 19 February 1996

J. Bitterlich                                                                                                                          Bonn, 26. Februar 1996

V e r m e r k

Betr.: Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Moskau (18. bis 20. Februar 1996) hier: Gespräch mit StP Jelzin am 19. Februar 1996[1]

Aus dem gut zweistündigen Treffen (Teilnehmer darüber hinaus: D. Rjurikov, Unterzeichner; Dolmetscher), das in einer sehr freundschaftlichen und vertrauensvollen Atmosphäre stattfand und in dessen Vordergrund die innenpolitischen Perspektiven in Rußland standen, ist im wesentlichen festzuhalten:

1. Innenpolitische Perspektiven mit Blick auf die Präsidentenwahl am 16. Juni 1996:

 StP Jelzin hob insbesondere folgende Elemente hervor:

Er habe Wahlkampf mit kürzlicher Reise nach Jekatarinenburg und Scheljabinsk aufgenommen.

In Bezug auf die Organisation stütze er sich dabei vor allem auf die im letzten Jahr bereits vor der Duma-Wahl aufgebauten Strukturen sowie von ihm in den Regionen eingesetzte Vertrauensleute; noch vor Ende Februar wolle er - im Anschluß an jährlichen Bericht zur Lage der Nation vor der Föderalversammlung - in einer großen Versammlung im Kreml mit seinen Anhängern Wahlprogramm bekanntmachen.

Er wolle in den kommenden Monaten möglichst viele der 87 Regionen bereisen.

Er habe die verschiedensten Persönlichkeiten nach den wesentlichen Themen dieser Wahl, nach möglichen Vorwürfen und Beanstandungen seiner bisherigen Amtsführung befragt. Dabei seien Beschwerden in zwei Bereichen deutlich geworden, die er lösen oder zumindest argumentativ in positiver Weise erklären müsse - und die wesentlich für seine Chancen seien:

(1) Beendigung des Tschetschenien-Konflikts 

Ihm seien 7 verschiedene Optionen zur Beendigung des Konflikts vorgelegt worden. Er habe zwei Kommissionen (Mitglieder Präsidialrat; Regierung) beantragt, ihm binnen zwei Wochen entsprechende Vorschläge vorzulegen.

Sein Ziel sei es, das Blutvergießen rechtzeitig vor der Präsidentenwahl zu beenden. Er wolle die friedliche Lösung dieses Konflikts.

(2) Lösung der sozialen Probleme

Notwendigkeit, rückständige Löhne, Gehälter, Pensionen, Sold zu bezahlen ("allein die Rentner machten 38 Mio. Stimmen aus").

Hinzu komme Problem, daß die Löhne/Renten bisher nicht bzw. nicht ausreichend entsprechend der Inflation angepaßt worden seien (Beispiel: ein Student erhalte unverändert wie vor Jahren Stipendium über 85.000 Rubel - d.h. 30 DM -, was in keiner Weise ausreichend sei).

= Auch in der Armee wie bei den Veteranen wachse die Unzufriedenheit, die der KP zugute komme.

= Im übrigen stellten auch 25 Mio. Sparer, die unschuldig ihr Geld bei dem Bankenzusammenbruch im letzten Jahr verloren hätten, ein großes Unruhepotential dar; sie müßten entschädigt werden.

Gott sei Dank breite sich die Streikbewegung der letzten Wochen nicht aus; die Kommunisten versuchten natürlich, diese Bewegung anzustacheln und auszunutzen.

Demgegenüber gebe die wirtschaftliche Entwicklung zu Hoffnung Anlaß (Produktionsrückgang der letzten Jahre tendiere gegen Null, Wachstum absehbar; Rückgang Inflation; Reduzierung Haushaltsdefizit).

Wesentlich sei, Umschwung zum Positiven in der sozialen Frage jetzt in den kommenden Wochen herbeizuführen; von besonderer Bedeutung hierfür auch Abschluß mit IWF über 3-Jahres-beistandsprogramm.

Im Kern laufe Wahl auf Zweikampf zwischen der KP und ihm hinaus.

Die Kommunisten leisteten disziplinierte Arbeit und stützten sich dabei auf landesweit vorhandene Organisation (die ihnen z.B. erlaube, Zeitungen bis hin in Wohnungen zu liefern).

Er versuche unverändert, Jawlinski in sein Lager herüberzuziehen. Jawlinski habe keinerlei Siegeschance, halte jedoch bisher an Kandidatur fest - er hoffe sehr, ihn zu Verzicht bewegen zu können; Zeit hierfür sei jedoch noch nicht reif.

Er wolle und werde im Wahlkampf verdeutlichen, daß er die politischen und wirtschaftlichen Reformen aufgenommen habe und sie nun in seiner 2. Amtszeit zu einem guten Ende führen wolle.

Demgegenüber hätten die Kommunisten die klare Absicht, die Reformen rückgängig zu machen. Sie stützten sich zum Teil auch auf Protestwähler, die er zurückgewinnen müsse.

Er rechne sich gute Chancen aus, Wahl - unter Umständen bereits schon im 1. Wahlgang - zu gewinnen, zumal Wähler generell zu Beständigkeit und Stabilität neige.

Auf Frage des Bundeskanzlers nach Gerüchten in Bezug auf die evtl. Ablösung des stv. VM Kokoschin bekräftigte StP Jelzin, daß der stv. VM im Amt bleiben werde.

2. Bilaterale Fragen 

a) Kritische Haltung der deutschen Medien gegenüber Rußland

StP Jelzin kritisierte sehr deutlich kritisch-negative Haltung der deutschen Medien gegenüber Rußland, die in den letzten Monaten schlimmer geworden sei; Informationen würden absichtlich entstellt und Bemühungen der Politik um gute Beziehungen gefährden. Medien förderten Angst bei der Jugend in Deutschland vor Rußland.

Der Bundeskanzler betonte demgegenüber, diese Kritik sei nur zu einem Teil berechtigt, die große Mehrheit der Deutschen wolle herzliche Beziehungen zu Rußland. Tschetschenien-Konflikt beeinträchtige dieses Bild z.Zt. ganz erheblich. Rußland selbst müsse jetzt dazu beitragen, sein Bild in Deutschland zu verbessern.

b) Verbesserung der militärisch-technischen Zusammenarbeit 

StP Jelzin sprach sich für Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit aus (gemeinsame Manöver, Beratungen von Kommandeuren, Austausch von Offizieren etc.); darin müsse man auch Lieferung russischen high-tech-Materials einbeziehen.

Der Bundeskanzler stimmte Verstärkung Austauschs von Soldaten grundsätzlich zu, sagte im übrigen Prüfung zu.

c) Doppelbesteuerungsabkommen 

Bundeskanzler bat um Beschleunigung der Arbeiten zum baldigen Abschluß dieses Abkommens, das für die deutsche Wirtschaft wichtig sei.

StP Jelzin stimmte zu.

(d) Deutsch-russische Historikerkommission

StP Jelzin und der Bundeskanzler waren sich im Hinblick auf Zusammensetzung grundsätzlich einig ("keine Politiker"); Abschluß entsprechender Vereinbarung noch 1996.

e) Rückgabe Kulturgüter 

Auf Fragen des Bundeskanzlers verwies StP Jelzin auf nicht vorangehende Arbeiten in der Duma. Für seine Regierung sei gesetzliche Grundlage sehr wichtig.

Hinweis:  Auf meine Fragen verwies Rjurikow auf aus der Sicht von StP Jelzin fortbestehendes gemeinsames Mandat vom September 1995. Wichtig für russische Führung sei Darstellung gewisser Gegenseitigkeit. Er wolle sich Mitte/Ende März bei mir melden, um weiteres Vorgehen zu beraten, einschließlich evtl. gemeinsamen Gesprächs in Moskau mit den hierfür wichtigsten Leuten.

3. Internationale Fragen 

a) NATO-Erweiterung 

Bundeskanzler sprach Frage von sich aus an und erläuterte nochmals Haltung (vgl. Rede Wehrkundetagung vom 3. Februar). Er sei sich sicher, mit StP Jelzin im nächsten Jahr nach den Wahlen Lösung zu finden, die sowohl die Interessen der Reformstaaten als auch die Interessen Rußlands berücksichtige.

StP Jelzin, der zweimal im Hinblick auf Zeitachse bzw. evtl. Beschlüsse im Jahre 1996 nachfragte, verwies insbesondere auf innenpolitische Perzeption dieser Frage.

b) "Europäischer Sicherheitsrat"

StP Jelzin wies am Ende des Gesprächs kurz auf laufende russische Überlegungen zur Schaffung eines "europäischen Sicherheitsrats" in Ergänzung zum VN-Sicherheitsrat im Rahmen der OSZE hin, ohne diese im Hinblick auf genauen Inhalt und weiteres operatives Vorgehen näher zu spezifizieren.

Hinweis:  Auf Fragen meinerseits erläuterte Rjurikov Zwischenstand der Überlegungen, die man in den letzten Monaten einmal vertraulich mit Paris und anderen diskutiert habe. Sobald man in Moskau weiter sei, werde er mich anrufen.

(Bitterlich)

 

[1] BArch, B 136/59478, 285-290.

J. Bitterlich                                                                                                                          Bonn, 26 February 1996

M e m o r a n d u m

 

Subject: Chancellor's Meetings with President Yeltsin in Moscow (18 - 20 February 1996) here: Chancellor’s Conversation with President Yeltsin on 19 February 1996[1]

 

Below is a summary of the two-hour conversation (including D. Ryurikov, the signee and the interpreter) that took pace and a very friendly and trustful atmosphere focusing mainly on Russia’s domestic perspectives.

1. Domestic Perspectives with regards to Russia’s Presidential Elections on 16 June 1996:

President Yeltsin especially focuses on the following elements. More recently, he had started out his campaign in Jekatarinburg and Chelyabinsk. With regards to organizational matter, he basically relied on the structures that had been established during the campaign for the Duma elections last year. Moreover, he relied on stewards that were used in the regions. He was planning to announce his elections program in a large gathering at the Kremlin taking place still in February following his report on the state of the nation. During the next few months, he was planning to visit as many of the 87 regions as possible.

He had discussed all of this with a diverse group of people from asking them for the main issue in the election campaign, potential shortcomings and mistakes or criticism with regards to hit Presidential style of leadership. This had revealed complaints in two issue areas which had had to resolve or at least explain in a positive manner during the election campaign. This would be essential for his perspectives to win it.

(1) Ending the Chechnya Conflict 

He had been presented 7 different options to end this conflict. He had requested the establishment of two commissions (members of the Presidential Council; government) in order to submit relevant proposals within two weeks. His aim was to end bloodshed in time prior to the elections. He wanted a peaceful resolution of this conflict.

(2) Resolving the Social Problems

There was a necessity to pay to disburse in overdue wages, pensions, and the salaries for the military ("the pensioners made up 38 million votes"). Another additional problems was that the wages and pensions had not yet been sufficiently adapted to inflation (Example: A student still received the old stipend entailing 85,000 Rubel - that was 30 DM which was in no way sufficient).

Discontent was also on the rise among veterans and in the army, and this benefitted the Communist Party. Moreover, the 25 million depositors formed a large group causing potential unrest. They had last all their savings during the crash of the banking system last year. They had to receive compensation.

Thanks god, the strike movement did not spread. It had been very active in the last few weeks. The Communists were certainly trying to keep the pot simmering and to exploit this movement. IN contrast, economic development were a reason for hope (the decrease in production during the last couple of years tends to zero, growth anticipated; decrease in inflation; reduction of budget deficit). The essential thing for him was to facilitate a turn-around in public mood during the next few weeks with regards to the social question. In this regard, the conclusion of the IMF assistance program for the next three years was especially important.

Basically, the the election was a duel between the Communists and him. The Communist were pursuing disciplined efforts based on their structures throughout the country (for instance, this enabled them to deliver newspapers everywhere with direct access to people’s apartments). He was still trying to make Yavlinsky join his camp. Yavlinsky did not have any chances of winning this, but he was still maintaining his candidacy. His hope was that he could make him surrender. However, the time was not yet ripe for it.

During the election campaign, he would underline the fact that he had initiated political and economic reforms. His plan for the second tenure was to conclude them in a positive way. In contrast, the Communist had the clear intention to reverse the reforms. In part, they relied on protest voters whom he had to win back again. He thought he had good chances to win the elections even during the first round, especially as voters generally tended toward consistency and stability.

Upon the Chancellor’s query about rumors of Vice Defense Minister Kokoshins‘ dismissal, President Yeltsin says that the Deputy Defense Minister would remain in office.

2. Bilateral Questions

a) The Critical Attitude of German Media toward Russia

President Yeltsin very clearly criticized the German media's critical and negative attitude towards Russia, which had gotten worse in recent months. Information would be deliberately distorted. This jeopardized the political efforts to establish good relationships. The media promoted fear of Russia among young people in Germany.

The Chancellor, on the other hand, emphasized that this criticism was only partially justified, that the great majority of Germans wanted cordial relations with Russia. The Chechnya conflict was currently affecting this picture quite considerably. Russia herself had to help to improve her image in Germany.

b) Improvements in Military-Technical Cooperation

President Yeltsin spoke out in favor of deepening military cooperation (joint maneuvers, consultations with commanders, exchanges of officers, etc.). This must also include the delivery of Russian high-tech materials.

The Chancellor agreed in principle to reinforcement exchanges of soldiers, agreed in the rest of the examination.

c) Double Taxation Agreement

The Chancellor asked for the work to be accelerated for the early conclusion of this agreement. This was important for the German economy.

President Yeltsin agrees.

(d) German-Russian Historians ‘Commission

President Yeltsin and the Chancellor basically agreed on its composition ("no politicians"); the relevant agreements ought to be concluded in 1996.

e) Return of Cultural Goods

In response to question from the Chancellor, President Yeltsin referred to work in the Duma that had not been carried out beforehand. The legal basis was very important for his government.

Note: In response to my questions, Ryurikov said that from Yeltsin’s vantage point, there was a common mandate from September 1995. It was important for the Russian leadership to show a certain reciprocity. He would like to contact me in mid / end of March to discuss how to proceed, including a possible joint discussion in Moscow with the people who are most important for this.

3. International Questions

a) NATO Enlargement

The Chancellor raised this topic himself and again explained the position (see his speech at the Wehrkundetagung on 3 February). He was certain that he would find a solution with President  Yeltsin next year after the elections taking into account both the interests of the Central and East European states and those of Russia.

President Yeltsin, who asked twice with regard to the timeline and possible resolutions in 1996, referred in particular to the domestic political perception of this question.b) "European Security Council"

At the end of the conversation, President Yeltsin briefly referred to ongoing Russian considerations on the creation of a "European Security Council" in addition to the UN Security Council within the OSCE, without specifying the exact content and further operational procedures.

Note: In response to questions from me, Rjurikov explained the current state of these considerations, which had been discussed in confidence with Paris and others over the past few months. As soon one reached progress in Moscow, he promised to call me.

(Bitterlich)

 

[1] BArch, B 136/59478, 285-290.

Kohl and Yeltsin discuss the need for an end to the war in Chechnya prior to the 1996 Presidential election in Russia. Yeltsin criticizes the sharp position of the German media in terms of the Chechnya War. With regards to NATO enlargement and the NATO-Russia partnership, Kohl and Yeltsin agree to search for a solution after the Russian Presidential election.



Document Information

Source

BArch, B 136/59478, 285-290. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-10-03

Type

Memorandum of Conversation

Language

Record ID

300236