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August 18, 1995

The Chancellor's [Helmut Kohl's] Telephone Conversation with Prime Minister Major on 18 August 1995, 13.00 hours

Dr. Bertram                                                                                                                        Bonn, den 18. August 1995

V e r m e r k

Betr.: Telefonat des Herrn Bundeskanzlers mit PM Major am 18. August 1995, 13.00 Uhr[1]

Der Bundeskanzler eröffnete das Gespräch auf Anruf von PM Major mit Fragen zum Urlaub des Premierministers. Er gab auf Fragen von PM Major (M.) einen kurzen Überblick über die Entwicklung in Deutschland, die sehr befriedigend sei. Das eigentliche Problem sei, daß Deutschland viele gute Jahre in Folge gehabt habe und ein Großteil der Bevölkerung heute glaube, daß dies so bleiben müsse ohne selber viel dafür tun zu müssen.

Der Bundeskanzler (BK.) kam dann zum eigentlichen Thema JUG. 

Der BK erwähnte, daß er vor dem heutigen Gespräch mit Chirac telefoniert habe und während des Urlaubs auch mit Präsident Jelzin und Clinton. Er habe einige Punkte, die er M. als seine Meinung sagen möchte.

1. Ganz generell sei er der Meinung, daß es gegenwärtig in JUG eine Chance gebe, dort ein Stück weiter zu kommen. Allerdings werde die Sache wieder sehr dringend. In acht bis zehn Wochen werde in JUG der Winter beginnen. Das Elend der Leute werde dann noch schlimmer und grausamer werden. Das Leiden der Bevölkerung habe ein Ausmaß bekommen, das schon unbeschreiblich sei.

2. Sorgen machten ihm vor allem die Flüchtlinge. Man müsse alles tun, um die Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat zu halten. Wenn sie hunderte von Kilometern von ihrer Heimat entfernt in andere Länder kämen, würden sie mit allen Konsequenzen heimatlos. In Deutschland gäbe es bereits 430 000. Deutschland wolle sich seiner humanitären Pflicht

nicht entziehen. Er sehe aber bei den Flüchtlingen, die schon zwei bis drei Jahre hier bei uns leben, daß es für sie immer schwieriger werde, zu Hause wieder Fuß zu fassen.

3. Er beobachte mit großem Mißvergnügen, daß das Thema JUG immer mehr zu einem Thema der US-Vorwahlen und des Wahlkampfes werde. Der Kongreß werde in 3 1/2 Wochen zurück sein. Dann wisse niemand, was er beschließen werde. Für Präsident Clinton werde es dann auch wieder schwieriger. Er (BK.) begrüße sehr, daß die USA jetzt eine neue Initiative gestartet hätten, wobei zwar vieles noch nicht ausgegoren sei. Wichtig sei aber, daß die USA überhaupt Aktivität zeigten.

4. Er wolle als letztes hinzufügen, daß er hoffe, daß Jelzin begriffen habe - er habe ihn wenigstens in diesem Sinne beschworen - daß er sich wegen seiner eigenen und auch der russischen Reputation in JUG zusammen mit uns engagieren müsse. Natürlich gäbe es auch in Rußland Wahlen, Duma und im Sommer nächsten Jahres die Präsidentschaftswahlen. JUG sei kein gutes Thema für die Innenpolitik.

Er (BK.) sehe im übrigen mit ziemlicher Skepsis die Aktivitäten der  Ost-Orthodoxie. Hier schlage die religiöse Komponente in die Politik durch.

5. Ein weiterer Punkt sei die muslimische Welt, die immer unruhiger werde. Er (BK.) habe in den letzten drei Wochen massiv bei Tudjman interveniert - was er nur PM Major sagen wolle. Er hoffe, daß dies bei Tudjman Wirkung zeigen werde. Natürlich werde der Einfluß diskret ausgeübt, da anderenfalls Tudjman und die Kroaten in ihrer Ehre getroffen würden. Er (BK.) ermahne sie insbesondere, in Ostslawonien keine Dummheiten zu machen. Auch sei zu erwarten, daß die Kroaten sich bei Dubrovnik ruhig verhalten würden, sofern die Serben mit dem Artilleriebeschuß aufhörten.

Der BK. resümierte, daß man sehr eng zusammenarbeiten solle, natürlich in den geeigneten Formen der Minister und Ministerien. Er denke aber auch untereinander.

Vielleicht könne man nächste Woche das Gespräch fortsetzen und miteinander telefonieren, um weiteren, neuen Schub in die Gespräch zu bringen.

Der BK. führte zur US-Initiative weiter aus, daß der Ansatz vernünftig sei, aber in einigem noch nicht ausgegoren. Er habe vor allem ein schwerwiegendes Bedenken: den Leuten bereits jetzt Versprechungen über Hilfeleistungen für den Zeit unkt eines späteren Friedens zu machen. Wenn es wirklich einen Frieden gäbe und zwar einen Frieden, der nicht die eine oder die andere Seite über den Tisch ziehe, d. h. daß die drei Streitparteien zu einer verläßlichen, endgültigen Lösung gebracht worden sind, müsse man natürlich helfen. Aber man könne nicht bereits heute Versprechungen machen, wo die Voraussetzungen noch nicht gegeben seien. Er habe Präsident Clinton auch gesagt, daß die USA nicht Hilfsversprechungen machen könnten, die wir dann einlösen sollten. Die USA selbst müßten auch etwas tun.

Der BK fuhr fort, daß eine gewisse Bewegung in ex-JUG vorhanden sei. Vor allen Dingen müsse man jetzt alles tun, um Jelzin dazu zu bringen, seinen Einfluß auf die Serben zu nutzen. Er habe den meisten Einfluß in Belgrad.

PM M. stimmte den Ausführungen des BK. voll zu. Er hätte vieles genauso gesagt. Er sei sehr dankbar insbesondere für die Bemühungen des BK, auf Tudjman Einfluß auszuüben. Hier hätte D. ohne Zweifel den größten Einfluß.

Er sei sehr besorgt, daß vor dem Winter noch etwas geschehen müsse. Es werde andernfalls, ohne daß sich in den Grundsatzfragen Bewegung abzeichne, sehr schwierig, die VN-Landstreitkräfte unter den schwierigen Winterbedingungen weiter in Bosnien-Herzegowina zu lassen. 

Er stimme dem BK. auch zu, daß in der US-Initiative noch nicht alles voll überlegt sei. Dies gelte insbesondere für die Strategieüberlegungen nach einem Abzug der VN-Truppen. Er könne sich nicht vorstellen, daß dann andere als nur Muslimtruppen verbleiben würden. Auch sei die von US vorgesehene dreiseitige Anerkennung schwierig. Milosevic werde das vermutlich nicht akzeptieren können.

Er stimmte dem BK. hinsichtlich des russ. Einflusses auf die Serben zu. Er (M.) habe auch eine Botschaft auf Präsident Jelzin geschrieben Er stimmte dem BK. auch zu, daß eine spätere Wirtschaftshilfe für Bosnien-Herzegowina nicht allein von der EU getragen werden könne. Hier müßten auch andere beitragen. Beteiligen müßten sich auch die USA und die muslimischen Staaten.

Nächste Woche würden die US in der Kontaktgruppe berichten. Wenn dieser Bericht vorliege, wäre es sehr gut über das weitere Vorgehen erneut zu telefonieren. Er sei nächste Woche fast jeder Zeit erreichbar,

Der BK. stimmte zu. Anschließend Verabschiedung.

(Bertram)


[1] BArch, B 136/59748, 221-224.

Dr. Bertram                                                                                                                                        Bonn, 18 August 1995

 

M e m o r a n d u m

 

Subject: Chancellor's Telephone Conversation with Prime Minister Major on 18 August 1995, 13.00 hours[1]

 

The Chancellor opens the conversation upon Prime Minister Major’s (M.) call querying about the Prime Minister’s vacation. Upon Prime Minister Major’s question, he gives a short overview on developments in Germany which was very satisfactory. The true problems was that Germany had had four good years in a row, and a large share of the populace thought that this had to stay this way and there was no need for them to work hard for it.

The Chancellor (BK) then brings up Yugoslavia as the pivotal issue.

BK mentions that he had been calling Chirac prior to this conversation. During his vacation, he had also called Presidents Yeltsin and Clinton. He wanted share his opinion on a few points.

1. In general, he thought that there was currently a chance to make considerable progress in Yugoslavia. However, the issue would turn very urgent again. Winter would start in eight to ten weeks in Yugoslavia. The misery of the populace would even be worse and cruel. They were already suffering to an  indescribable extent.

2. He was especially concerned about the refugees. One had to do everything in order to keep to make the refugees stay close to their homes. If they lived hundreds of kilometers away from their homes, they would turn into homeless people including all the consequences. There were already 430, 000 refugees. Germany was not trying to escape its humanitarian duties.

But one could see that it would be increasingly difficult to return home for those people who had already been living here for two or three years.  

3. He saw with great displeasure that the Yugoslavian issue was turning into a domestic issue in the U.S. election campaign. Congress would return in three and a half weeks. Nobody knew which kind of decisions it would adopt. Things would be turning difficult again for President Clinton. He (BK) greatly welcomed the recent U.S. initiatives. Albeit some issues were not fully fermented, it was important that they were showing activity at all.

4. Last but not least, he wanted to add that he hoped Yeltsin had understood that he had to engage itself and that he had to work with us due to  his own prestige and Russia’s reputation in Yugoslavia. He really implored Yeltsin to engage himself. There were certainly elections coming up in Russia, the Duma elections and the Presidential elections next summer. Yugoslavia was not a good issue for domestic politics. He (BK) was watching the activities of the Orthodox Church with great skepticism. This was the religious component in politics

5. Another point pertained to the Muslim world which was turning increasingly nervous. During the last three weeks, BK intervened massively in his talks with Tudjman – this was just for the Prime Minister’s ears. His hope that this would show some effect with Tudjman. His was certainly exercising his influence discreetly. Otherwise, Tudjman and the Croats would feel attacked in their honor. BK had especially cautioned them not to do any dumb things in Eastern Slavonia. The Croats were expected to stay calm in the Dubrovnik area provided the Serbs would stop shelling them.  

BK sums up that one had to cooperate very closely between the relevant ministers and ministries, but also between ourselves. Perhaps one could call each other again next week and continue the discussion in order to provide new impetus.

With regards to the American initiative, BK adds that the approach was reasonable, but not fully fermented in some details. He had one particular concern: It was impossible to make any pledges with regards to assistance measure pertaining to the time after the war. It goes without saying that one had to help when there was peace and a just peace as a win-win-situation for everybody. One had to bring the three conflict parties to a reliable and final settlement. But it was impossible to make pledges right now at a point in time when the preconditions had not been met. He had also told President Clinton that the U.S. could not make promises for help which we had to implement later on. The USA had to do something themselves.

BK says that there was a certain sense of movement in former Yugoslavia. Especially one had to do everything in order to have Yeltsin exercise its influence on the Serbs. He had the largest leverage in Belgrade.

M. fully agrees to BK’s statements. He would have put many things the same way. He was especially grateful for the Chancellor’s efforts to exercise influence on Tudjman. There was no doubt that Germany had the largest leverage in this respect. His concern was that there should be some action before the winter. Otherwise it would be very difficult to keep the UN land forces in Bosnia-Hercegovina during the winter it there was not movement with regards to the fundamental questions. 

He also agrees to the Chancellor’s estimate of the U.S. initiatives. The details had to further clarified. This was especially true with regards to the strategic thoughts after the withdrawal of the UN troops. He could not imagine that there could be any sort of troops other than the Muslim troops. It was also complicate to achieve the kind of trilateral recognition that the U.S. envisaged. Milosevic would perhaps never be able to accept this.

He also agrees to BK’s assessment of Russia’s influence on Serbia. He (M.) had also sent Yeltsin a letter. He also confirms the Chancellor’s thoughts saying that economic assistance for Bosna-Hercegovina could not only come from the EU’s coffers. Everybody had to participate including the USA as well as the Muslim states.

The U.S. would report back in the contact group next week. After one had obtained this report, it would be very good to call each other again in order to discuss further proceedings. Next week, he would be available almost anytime.

BK agrees. Subsequently farewell words.

(Bertram)


[1] BArch, B 136/59748, 221-224.

Kohl and Major discuss the impact of the war in former Yugoslavia on the Muslim world, the European Community and domestic U.S. policy. Both agree that there was a window of opportunity for a settlement before the winter.


Document Information

Source

BArch, B 136/59748, 221-224. Contributed, transcribed, and translated by Stephan Kieninger.

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Original Uploaded Date

2023-09-29

Type

Telephone Conversation

Language

Record ID

300231